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Digital Transformation

Warum wird die Digitale Transformation verschlafen?

Jeder, der in den letzten 15 Jahren im digitalen Bereich als Berater oder Projektleiter gearbeitet hat, fragt sich regelmässig, warum so viele Firmen die Digitale Transformation nicht kommen sahen und teilweise bis heute ignorieren. Warum ist das so? Ein Erklärungsversuch.

(Lesedauer: 5 Minuten)

Im Jahr 2003 zum Beispiel verstand ich das ja noch. Dieses „Internetz“ wurde noch nicht so breit genutzt und alles war umständlich, teuer und langsam. Ich erinnere mich an die Geschichte eines ehemaligen Geschäftspartners, der einem Getränkehersteller Internet und eCommerce schmackhaft machen wollte und zu Demonstrationszwecken im Kundenmeeting online eine Pizza bestellte. Die Pizza kam an, aber alles war so unsicher und neu, dass ein Agentur-Mitarbeiter extra beim Pizza Lieferdienst anrufen und sicherstellen musste, dass die Bestellung nicht für einen Jux gehalten wurde. So ungewöhnlich war das damals alles.

Heute habe ich für dieses Verschlafen nur ein sehr begrenztes Mass an Verständnis. Gar kein Verständnis habe ich für all die Ängste, die sich in grossen erfolgreichen Unternehmen immer noch fest halten. Warum nur versteht C-Level nicht, welche Chancen sich für fast jedes Unternehmen aus der Digitalen Transformation ergeben? Ich denke, folgende 3 Punkte sind mit massgebend:

Persönliche Sozialisierung

Seit ein paar Monaten taucht ein Zitat aus der Textsammlung „The Doubt of the Salmon“ von Douglas Adams im Kontext zur Digitalen Transformation auf:

“I’ve come up with a set of rules that describe our reactions to technologies:

  1. Anything that is in the world when you’re born is normal and ordinary and is just a natural part of the way the world works.
  2. Anything that’s invented between when you’re fifteen and thirty-five is new and exciting and revolutionary and you can probably get a career in it.
  3. Anything invented after you’re thirty-five is against the natural order of things.”

Schaut man sich das Durchschnittsalter des C-Levels von Mittelständlern und Grossunternehmen an, fallen diese mehrheitlich in Kategorie 3. Grundsätzlich ist es tatsächlich so, dass viele Führungskräfte ganz einfach in einer komplett anderen Welt sozialisiert wurden und nicht die geistige Elastizität haben, Change entsprechend anzustossen. Dazu kommt wohl auch, dass im gesetzteren Alter die Risikobereitschaft nachlässt. Warum sollte ich im Herbst meiner erfolgreichen Executive-Karriere, meinen letzten 5 goldigen Jahren, nochmals einen umfassenden Umbau der Firma beginnen? Das ist wohl nicht im Sinne der Unternehmung, wohl aber menschlich so zu denken. Es gibt schlussendlich wichtigeres als Business.

Denken Sie, die heutigen 30-40 jährigen werden nicht mehr so engstirnig sein? Täuschen Sie sich nicht. Fragen Sie 5 Personen dieser Altersklasse, ob Sie sich vorstellen könnten, sich Technologie aus nicht medizinischen Zwecken implantieren zu lassen (z. Bsp. Digitale Identität als Chip). Sie werden nicht viele finden. Das Thema wird uns aber in den nächsten Jahren ganz sicher beschäftigen.

Dot-Com Blase Trauma / Early Adopters Fail

Kein unwesentlicher Teil der grösseren Firmen leidet nach wie vor am Dot-Com Trauma. Sie haben beim ersten Aufschwung der Digitalen Transformation zu heftig und zu viel in Internettechnologie investiert (direkt oder indirekt) und diese Investitionen nicht im geringsten amortisieren können. Ich habe mehrere Jahre eine Firma begleitet, welche kurz vor der Jahrtausendwende einen hohen einstelligen Millionenbetrag in eCommerce investiert hatte. Das eCommerce Angebot war schlicht und einfach zu früh, weil es die kritische Masse an Usern gar noch nicht haben konnte. Die Initiative floppte daher grandios und die Investition musste abgeschrieben werden. Seitdem lastet das auf allen digitalen Aktivitäten. Das Senior Management ist ein gebranntes Kind. So gebrannt, dass sie heute, wenn immer ein grosser digitaler Investitionsantrag zur Entscheidung vorgelegt wird, auf dieses Erlebnis verweisen und ihn so stark kürzen, dass nur halbherzige Projekte realisiert werden können. Diese können dann logischerweise den notwendigen Erfolg nicht aufweisen, was die alte Garde wieder in ihrer Entscheidung bestätigt. Spirale.

Paradoxerweise machen diese Firmen heute wie damals den selben Fehler: Anstatt ganz genau zu analysieren, wie sich der Kunde verhält und wie die Entwicklungen dieses Verhaltens sind, wird nur innerhalb des betriebswirtschaftlichen und/oder technologischen Korsett gedacht und agiert. Entrepreneurship sieht anders aus.

Geschwindigkeit der technologischen Entwicklung und Adaption

Die Geschwindigkeit, mit welcher die technologische Entwicklung und die Adaption der Technologie durch die User erfolgte, ist in der Tat auch im geschichtlichen Kontext bisher einmalig. Aus der Erfahrung hatten Unternehmer um die Jahrtausendwende schlicht nicht erwarten müssen, dass sich im nächsten Jahrzehnt so viel so schnell verändern wird. Folgende Grafik verdeutlicht dies:

infografik_501_Adaption_von_Technologien_n

Sie wurden also ganz einfach überrascht. Und es gibt eine ganze Reihe von Anzeichen, dass die Entwicklung weiter an Fahrt aufnehmen wird. Ich denke, dass die heutige Geschwindigkeit der technologischen Veränderung die langsamste ist, die ich in meinem Leben noch erleben werde.

Unternehmen, die sich konsequent am Kunden und seinem Verhältnis zur Technologie (resp. Adaption der Technologie) ausrichten, aus diesen Erkenntnissen gute und treffende Angebote entwickeln, sich ein gutes Mass an Neugier, Risikobereitschaft und Gespür für Chancen erhalten, werden in Zukunft auch in schnellem Wandel und einer hochtechnologisierten Gesellschaft Bestand haben.

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