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Warum älter werden, Mentor werden bedeuten sollte.

Lange Zeit habe ich in meinem Berufsleben gemeint, ich hätte keine Mentoren. Und nach und nach gemerkt, dass dem überhaupt nicht so ist. Im Gegenteil. Ich denke 5 Personen haben meine letzten Jahre, nein mich, maßgeblich geprägt. Ein paar Gedanken zu etwas, was zum Glück weder institutionalisiert noch reguliert ist und für Führungskräfte und Unternehmen wichtig ist.

(Lesedauer: 5 Minuten)

Diesen Artikel habe ich vor ein paar Wochen fertiggemacht und er handelt in weiten Teilen, bewusst ohne ihn namentlich zu nennen, von meinem wohl prägendsten Mentoren. Jemand der mich die letzten 20 Jahre in allen beruflichen Station immer wieder begleitet hat und leider kürzlich verstorben ist.

Die besten Mentoren sind jene, welche man lange gar nicht wahrnimmt

So erging es mir lange auch. Ich habe mit 19 Jahren, als ich meine erste Firma, einen Handel für Computer und Bauteile startete, nicht realisiert, dass mich gewisse Leute unterstützen. Das hat damit zu tun, dass man als junger Mensch oft meint, ein Mentor müsse einem alle Türen und Tore öffnen und z. Bsp. in großen Firmen Aufstiegspfade gerade zu ebnen. Und ich hätte gerne so einen „Regenmacher“ gehabt.

Natürlich gibt es diese Beispiele, ich denke aber, dieses offenkundige Bevorteilen ist vor allem für den „Zögling“ langfristig nicht gerade förderlich. Es geht zu leicht und es weckt Missgunst im Umfeld.

Nein, ich glaube gute Mentoren bestärken und lassen einen gleichzeitig die notwendigen Fehler machen, damit man sein Wirken auf die wichtigen Punkte lenken und schnell dazu lernen kann.

So hat z. Bsp. mein Mentor in der Anfangsphase des komplett chaotischen Unternehmens, ich bin direkt von der Schule gestartet mit nichts mehr als Arbeitserfahrung aus Sommerferienjobs, die erste große Bestellung bei uns/mir getätigt. Ich erinnere mich daran, als wäre es gestern gewesen. Denn es war eine Art Tipping Point als Unternehmer.

Bestärken

Denn das war nicht einfach eine Bestellung. Das war die beste Bestärkung für diesen Weg, die man mir damals geben konnte. Es war für eine mittelgroße Firma wie seine komplett verrückt, bei mir einzukaufen. Es gab gute Anbieter wie Sand am Meer und trotzdem hat er bei mir gekauft. Das habe ich damals aber nicht realisiert.

Im Gegenteil und das ist das tolle: Ich dachte wirklich, ich könne mit dieser Konkurrenz mithalten. Und hatte an diesem Abend das erste Mal das Gefühl, unternehmerisch ernst genommen zu werden. Das erste Mal realisiert, das kann was werden. Es gibt keine größere Motivation, um eine Firma weiterzubringen.

Und durch diese Bestärkung und Motivation war es erst möglich, dass ich die Firma überhaupt konkurrenzfähig machen konnte. Wusste ich damals alles nicht. Zum Glück.

Tiefe Fehlertoleranz

Auf der anderen Seite hat er mich auch regelmäßig auflaufen lassen. Nicht im bösen. Er ließ aber jeweils nicht locker, auch wenn klitze-kleine Dinge an den Produkten nicht in Ordnung waren. Dinge, welche andere Kunden nicht moniert hätten. Das fand ich im jeweiligen Moment nicht so toll. Verflucht nervig sogar.

Es hat aber dazu geführt, dass ich mich nach und nach auf all die Details fokussiert und versucht habe, besser zu werden. Nicht auszudenken, wenn ein so wichtiger Kunde einfach nachgiebig gewesen wäre. Ich hätte wahrscheinlich nie gelernt, was im Detail den Unterschied macht.

Ehrlichkeit

Diese erste Firma war ein echtes Spießrutenlaufen für mich. Neben Erfahrung fehlte vor allem Kapital. Kapital ist im Handel aber enorm wichtig und so habe ich die Firma über die Kreditlinien der Lieferanten finanziert. Also über diese 20-30 Tage Zahlungsziel, die einem die Lieferanten gewährten (nicht, dass Sie jetzt denken, das wäre ein genialer Einfall gewesen – ich bin da mehr reingeschlittert in diese Situation). Damit das einigermaßen ging, musste ich locker 2h pro Tag ins Cash-Management investieren. Es war eine verrückte trotz allem auch unbekümmerte Zeit und als die Firma grösser und grösser wurde, habe ich meinen Mentor – das Verhältnis hatte sich mittlerweile intensiviert – um Rat gefragt. Erst war er interessiert und wollte sogar investieren.

Als wir dann aber die Zahlen durchgingen, riet er mir, die Firma zu verkaufen und etwas anderes zu machen. Die Margen wären zu klein, der Markt würde früher oder später an Dynamik verlieren und vor allem enorme Investitionen in die Logistik seien notwendig, um einen Unterschied machen zu können. Ich war deprimiert und hatte ihm nicht geglaubt. So einer hat ja keine Ahnung dachte ich. Und dann rund 3 Jahre gebraucht, um zu lernen, dass er natürlich Recht hatte.

Ähnlich ging es ein paar Jahre später, als ich mittlerweile bei einer anderen Firma engagiert war und ihm voller Enthusiasmus von meiner Aufgabe und der Strategie erzählte. Er meinte nur, ich hätte an diesem Ort jetzt 3 Jahre meine Learnings gemacht und ich solle doch etwas anderes, für mich größeres, starten. Ich hatte ihn an diesem Mittagessen verflucht. Nur um danach nochmals Jahre damit zu verbringen, um zu lernen, dass er natürlich vollkommen richtig lag. Fail fast war nicht so meine Stärke.

Diese Art von Ehrlichkeit ist die, welche Freunde unter sich pflegen sollten. Und ich denke in gewisser Weise wurden wir über die Jahre Freunde. Und das ist etwas, was ich nicht leichtfertig sage. Man hat ja bekanntlich immer viele Freunde, wenn die Dinge für einen gut laufen…

Vertrauen

Als ich mit ihm vor ein paar Monaten über Accounto sprach, damals nur Prototyp und Vision, war für ihn sofort klar, dass er bei der Friends & Family Finanzierungsrunde mitmachte. Und so wurde er der erste Investor von außen. Mit einem kleinen Betrag zwar, was aber nicht wirklich zählte. Vielmehr zählte das Vertrauen und, wieder einmal mehr, die Bestärkung. Und auch den praktischen Aspekt darf nicht aus den Augen verloren werden: Mit einem ersten Investor einen zweiten zu suchen, ist bedeutend einfacher. Das wusste er natürlich genau.

Selber Mentor werden?

Mit zunehmendem Alter wird man als Unternehmer selber zum Mentor. Witzigerweise nimmt man das anfangs auch gar nicht wahr. Seit ein paar Jahren mache ich das jedoch recht bewusst.

Ich begann bewusst Mentor zu sein, als ich realisierte, dass ich ohne meine Mentoren niemals zu diesem bewusst lebenden und optimistischen Menschen geworden wäre, den ich heute zu sein behaupte. Ich glaube denn auch, das Mentoring nicht per se auf Erfolg des Zöglings abzielt oder abzielen sollte. Vielmehr geht es um Persönlichkeitsentwicklung. Erfolg, gerade auch der finanzielle, ist fast ausnahmslos die (überhaupt nicht zwingende) Folge dieser Entwicklung.

Schützlinge

Wie weit das im Positiven gehen kann, hat mir vor ein paar Jahren einmal Patrick Comboeuf, der in der Schweiz sehr erfolgreich die Bundesbahnen digitalisiert hat und eine Art graue Eminenz der Digitalisierung ist (ich habe jetzt bewusst den Begriff „Silberrücken“ vermieden 😊), aufgezeigt.

In einem Gespräch hat er derart begeistert von seinem Team gesprochen, dass ich mir immer mal wieder darüber Gedanken mache. Da war nicht das übliche „unser Team ist so cool und toll etc.“ – Gerede. Vielmehr hatte ich das Gefühl, dass er für jeden einzelnen einen Plan hatte. Wusste, wo er unterstützen sollte und konnte. Auch das erachte ich primär nicht als Führungsfrage, sondern als eine Art der persönlichen Entwicklung und dem Umgang.

Ungeschliffene Edelsteine

Wenn ich etwas mag, dann ist es Menschen über sich hinaus wachsen zu sehen. Zugegebenermaßen, am allerliebsten wenn sie auf meiner Lohnliste stehen. Den Menschen vermitteln zu können, dass es meist nur sie sind, welche ihre eigenen Möglichkeiten begrenzen. Dass es sich lohnt, die Arbeit reinzustecken. Das man auf dieser Welt einen Unterschied machen kann. Im Kleinen wie im Großen.

Solche Leute fördere ich meist schon unbewusst. Und es ist schon erstaunlich viele Male gut gegangen. Paradoxerweise ist das Ende einer erfolgreichen Entwicklung meist jene, dass der Mitarbeiter/in weiterzieht. Das ist ok, denn alle profitieren von diesem Weg. Und dieser Weg ist das Ziel. Und Wege trennen sich. Immer.

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