Letzte Woche hat Tesla bekannt gegeben, dass sie SolarCity für rund 2.7 Mrd US$ übernehmen wollen. Es war spannend zu sehen, wie aus unterschiedlichen Ecken auch ganz unterschiedliche Einschätzungen kolportiert wurden. Die ganze Klaviatur, von «das sichere Ende» bis «vollkommen genial», wurde bespielt. Der Versuch einer differenzierten Einschätzung dieses letzten Coups einer der, im wörtlichsten Sinne, bahnbrechendsten Firma unserer Zeit.
(Lesedauer: 4 Minuten)
Musk über alles – auch über Corporate Governance
Laut war der Aufschrei der klassischen Analysten aufgrund der finanziellen Verflechtungen von Elon Musk, Tesla und SolarCity. Warum ist schnell erklärt: Musk ist Mehrheitsaktionär beider Firmen und hat SolarCity auch verschiedene Darlehen gewährt. Nun verliert SolarCity laufend Geld und der Aktienkurs fiel im letzten Jahr um über 60%, was sehr direkte finanzielle Auswirkungen auf Musk hat.
Indem Musk durch den geplanten Kauf also den 2.6 Mrd. Cashdrain von SolarCity zum 1.5 Mrd. Cashdrain von Tesla bringt, macht er sich das Geschäft zwar schwieriger. Auf der anderen Seite ist SolarCity erstmal gesichert.
Was auch nicht sonderlich gut ankam, ist die Tatsache, dass im Board of Directors von SolarCity fast alle mit Elon Musk irgendwie verbandelt sind. Die Gebrüder Rive, Cousins von Musk, JB Straubel, Co-Founder von Tesla, Antonio Garcia, der auf im Tesla Aufsichtsrat sitzt, und Musk selber treten bei der Entscheidung in den Ausstand. Es entscheiden also am Ende 3 von 8 Aufsichtsräten. Gute Corporate Governance sieht anders aus.
Der Anteil Musk in der Marke Tesla
Tesla gibt praktisch kein Geld für Werbung und Marketing aus. Der Anteil «Musk» im Brand Tesla ist denn auch sehr groß. Es gab bislang wohl kein Unternehmer, der einen so gewaltigen Starkult aufbaute.
Da ist diese Aura des „Iron Man“, der alles schafft, bei dem alles geht. Und Musk spielt damit ganz bewusst. Deutlich wurde, das unter anderem an der Tesla Generalversammlung, als er und JB Straubel geschlagene 2h aus den Anfängen von Tesla erzählten und in einer zähen Präsentation eine Art Analogie als Antwort auf die drängenden Fragen der Zukunft von Tesla gaben. Message: «Seht her, durch was für Probleme und Herausfordreungen wir durchgegangen sind. 500’000 Model 3 zu bauen, ist vergleichsweise einfach».
Um diese Message bei den Investoren in dieser Verbindlichkeit zu platzieren, hätte VW 15 Mio. EUR ausgeben müssen. Musk macht das, sichtlich unvorbereitet, praktisch nebenher.
Diese Aura ist gegenwärtig eines der wichtigsten Assets des Ecosystems Musk. Nicht auszudenken, was geschehen würde, wenn durch einen Niedergang von SolarCity dieser Lack angekratzt wird. Kritiker die sagen, Musk wolle mit dem Deal einen etwaigen Imageschaden unbedingt abwenden, liegen damit wohl nicht so falsch. Es darf in der Tat nicht passieren.
Vertikale Integration
Die zuvor genannten Punkte sind aber nur eine Seite der Medaille. Die andere ist, dass diese Integration sehr wohl Sinn macht. Musk sagte einmal, dass wenn ein Trend offensichtlich werde, es fürs Geschäft zu spät sei. Nun, so offensichtlich ist die Entwicklung im Energiesektor noch nicht.
Ich habe schon einmal darüber geschrieben, dass das wirklich revolutionäre an Musks Plan die Veränderung der Energieversorgung sei. Es ist logisch und vergleichsweise einfach, Energie dezentral zu produzieren und zu speichern. Dieser Plan ist umsetzbar. Wir können ihn finanzieren, wir können die Geräte dafür auch herstellen. Aber es gibt noch kein Bewusstsein dafür.
Schlüssel zu dieser Umgestaltung ist die Speicherung der Energie z. Bsp. durch Batterien. Darum war auch die Einführung der Powerwall, der Batterie für Zuhause, der logische Schritt für Tesla. Was fehlt in der Kette, sind die Photovoltaik-Panels.
Zudem hat die Verbesserung der Batterietechnologie gerade nochmals an Fahrt aufgenommen. Ich denke wir werden bei dieser Technologie auch ein sehr rasches Wachstum des Fortschritts sehen. Für die Kommerzialisierung ist denn im Moment auch erstmal nur noch die Kostensenkung relevant. Das reicht bereits, um ein wirtschaftliches Massenmodell zu haben.
Tesla hält sich sehr zurück, was die Kommunikation der Batteriekosten angeht. Man kann jedoch davon ausgehen, dass sie bereits erhebliche Verbesserungen erreicht haben.
Musk muss sich daher mit den Automobilen grundsätzlich am Ziel wähnen. Er hat die Bewegung hin zum Elektroauto auf breiter Front angestoßen. Und sie wird nicht aufzuhalten sein, denn ganz am Schluss geht es um Physik und «Economy of Scales». Werden alle Komponenten eines Elektroautos in derselben Stückzahl wie jener von Verbrennern produziert, lässt sich ein elektrisches Auto viel günstiger produzieren.
Was zusätzlich dazu kommt, ist, dass Tesla durch das softwarebasierte Konzept erhebliche Kostenvorteile erwachsen. Dass Musk damit gewinnen im Markt wird, ist ziemlich offensichtlich. Jetzt geht es «nur» noch ums Liefern – der Kernkompetenz der bewährten Player im Markt.
Was ist das nächste noch nicht offensichtliche Ding?
Anfang Jahr wollte ich mir eine Solaranlage mit Hausspeicher zulegen. Der Plan war und ist es noch immer: Installation einer großen Solaranlage, Batteriespeicher für 2 Tage Haus-Autonomie und Lademöglichkeit für zwei Autos. Das Ziel: Komplette Unabhängigkeit vom Stromnetz.
Also begann ich zu recherchieren. Und realisierte, dass das nicht so einfach ist. Zwar gibt es viele gute Photovoltaik-Dienstleister. Bei integrierten Systemen und Batterien hört das Know-How aber meist auf. Fast alle konzentrieren sich mit ihren Konzepten darauf, Strom ins Netz zu speisen, was momentan natürlich ökonomisch sinnvoll ist. Ökologisch ist das aber ziemlicher Schwachsinn.
Je mehr ich mich mit dem Thema befasste, desto mehr wurde mir klar, dass ich mich damit auf ziemlich experimentelles Gebiet bewege.
In meiner Naivität ging ich davon aus, ich könne mir ein solches Setup erstmal irgendwo online konfigurieren, es gäbe günstige und gute Standardkomponenten, die einzelnen Komponenten würden miteinander sprechen oder gemeinsam lernen Verbrauch und Produktionsbedürfnisse zu antizipieren.
Doch das alles gibt es nicht. Es gibt viele hundert Anbieter, die einzelne Module und Systeme bereitstellen. Wer aber eine komplette Anlage an den Start bringen will, muss sich über kurz oder lang heute zwingend mit Elektrotechnik auseinandersetzen und ein EUR +150k Projekt mehr oder minder selber organisieren. Mein Projekt liegt erstmal auf Eis. Das ist mir zu aufwändig und risikobehaftet.
Dafür, dass wir diese autonome, verteilte Stromversorgung haben werden, spricht einiges. Allem voran die Tatsache, dass Solarzellen in Zukunft radikal günstiger werden. In Kombination mit radikal günstigeren Batterien, wird die Ausstattung der Eigenheime mit solcher Technologie zur Lösung der Wahl werden. Ökologisch und Ökonomisch wohlverstanden.
Darauf zielt dieser Deal strategisch ab. Dass die «Experten» von der UBS das anders sehen, zeigt die unterschiedliche Denkweise geradezu exemplarisch:
We believe that batteries today are not a real synergy, nor will be under the current US regime for Net Metering in the US through the next 3-4 year period. The core market for SCTY is California with 100% net metering and hence we see limited value to a battery cross-sale. Which market is relevant? Hawaii. We note this remains a limited (single digit figure) for installs for SCTY and will likely remain quite modest. While a test bed for battery penetration, we doubt this remains a real opportunity to ramp. We don’t expect a significant pullback in Net Metering any other relevant market for SCTY, or at least enough to make batteries ‚work‘ in the near-term.
Wenn Sie jemals ein gutes Beispiel von Manager- vs. Unternehmerdenke gesucht haben, hier ist es.
Die Wette auf die Wette
Natürlich verlange ich von den Analysten der UBS nicht, dass sie hier in Begeisterungsstürme ausbrechen. Ihr Job ist es kurzfristig Chancen und Risiken für ihre Anleger zu bewerten. Und wo, wenn nicht hier sollten sie warnen.
Wer diese Pläne für wahnsinnig hält, hat nicht verstanden, dass Musk offensichtlich nach ganz anderen Regeln spielt. Anders ist es nicht zu erklären, dass jemand, nach dem er erst gerade viel Geld verdient hat, dieses Geld mit einer Firma für Raketentransporte zum Mars geradezu leichtfertig aufs Spiel setzt. Er sagt zu dieser Entscheidung, dass es für ihn Sinn machte und dass alles Geld verlieren, „nicht das Ende der Welt wäre“.
Und, das wissen viele Leute nicht, es ist auch beinahe wirklich schief gegangen. Praktisch mit dem letzten Geld hat Musk nach 3 erfolglosen Raketenstarts einen vierten Versuch gewagt und damit SpaceX erst möglich gemacht. Er weiß zu gut, dass es auch gerade so gut nicht hätte klappen können.
Ich habe immer wieder geschrieben, dass herausragende Unternehmer ihre Unternehmen auf zukünftige Entwicklungen verwetten. Also alles auf eine Karte setzen. Die Laufzeit einer solchen Wette ist denn auch nicht auf 3 oder 4 Jahre angelegt. Wir werden wohl erst in 15 Jahren wissen, ob Musk damit wirklich richtig lag. Bis dahin kann es noch so viele Unwägbarkeiten geben, die seinen Firmen den Kopf kosten können. Musk weiß das sehr genau. Aber er wertet den Versuch höher als einen möglichen Schaden durch Totalverlust.
Wie viel Mut, oder Gleichgültigkeit gegenüber dem Scheitern, im Spiel ist, beweist diese Wette auf die Wette. Denn die erste Wette, dass Elektromobilität sich flächendeckend durchsetzen wird, ist noch nicht gewonnen. Es ist absehbar, dass sie gewonnen wird, aber noch ist sie eben nicht gewonnen.
Durch den Deal hat Musk also den einen Hebel angesetzt, der ihn ganz sicher ins Verderben bringen wird, wenn er die Wette verliert. Oder, im anderen Fall, Tesla tatsächlich zur wertvollsten Firma der Geschichte machen wird. Zu verlieren gibt es für einen Musk dabei nichts. Es gibt nur 0 oder 1.
Artikel auf Social Media teilen:
Eine Antwort auf „Tesla und SolarCity: Die Wette auf die Wette“
Habe die selben Erfahrungen gemacht als ich mich damit auseinander gesetzt habe. Besonders für einen Vermieter mit Solardach, ist es natürlich lukrativer den Strom einzuspeisen, er kriegt von der IWB ja noch cash. Ein paar Jahren nach der Investition auf dem Dach, verdient er Geld im „Schlaf“. Solardach heisst heute leider noch nicht gleich umweltfreundlich.