Letzthin stand ich in einer Schlange vor einem DB-Schalter, um mir ein Bahnticket rückerstatten zu lassen. Ein Raum voller Leute, eine gehässige Atmosphäre, alle gestresst, die Schlange schier unendlich und unendlich langsam. Und am Schalter vorne ein Mann, der die Angestellte lautstark zusammenstaucht. Um was es ging, konnte ich nicht erfassen.
(Lesedauer: 5 Minuten)
Dass er allerdings nicht das erreicht hatte, was er sich wohl durch sein aggressives Verhalten versprach, war offensichtlich. Die Dame am Schalter ließ ihn, soviel konnte ich erkennen, mit allererstem Desinteresse in guter deutscher „Beamtenmanier“ abblitzen. Schnaubend und fluchend stampfte er an mir vorbei ins Freie. So ein Idiot, dachte ich mir.
„Management by being a stupid idiot“
So wie dieser Idiot war ich auch einmal. Vielleicht sogar schlimmer noch. Gesegnet mit einer gewissen Scharfzüngigkeit und der Intuition genau dort ansetzen zu können, wo es den anderen trifft, habe ich Mitarbeiter und andere in meinem Umfeld dahin gestellt, wo ich es richtig fand, um das zu erreichen, was ich wollte.
Das hat oft vordergründig gut funktioniert, in dem Sinne als das was ich wollte, dann auch erreichte. Aber es hat auch eine Schneise der emotionalen Zerstörung hinterlassen. Die allermeisten dieser Schneisen sind zugewachsen, aber leider nicht ganz alle. Irgendwann bin ich mit diesem Verhalten an einen Punkt gekommen, wo ich realisierte, dass es nicht wirklich funktioniert, denn kurzfristig hatte das Vorgehen vielleicht Vorteile. Langfristig wurde es für alle Beteiligten, gerade und vorallem auch für mich, zum Desaster.
Lieber lieb und soft
Also habe ich mein Verhalten radikal verändert. Ich bin nun grundsätzlich soft und lieb. Das ist nicht vordergründig, sondern beruht auf der Einsicht, dass wir alle miteinander gut auskommen, wenn wir „soft“ zueinander sind. Wie die Dinge ins Feld geführt werden, sollte von Respekt, Toleranz und Anstand geprägt sein. Dann gewinnen alle.
Leute herabzukanzeln, mit Gewalt und Kraft versuchen seinen Standpunkt durchzudrücken, produziert nur Verlierer. Jene, die sich jeweils für Gewinner halten, realisieren es einfach erst später.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die verworrensten Auseinandersetzungen und Konflikte plötzlich lösbar sind, wenn man so – ich sage dem jetzt mal „soft“ – aufeinander zugeht. Und kommt man nicht auf einen gemeinsamen Nenner, so ist immerhin die Basis gelegt, um später das Gespräch wieder aufzunehmen.
Fragen
Das zweite was wirklich hilft, sind Fragen. Es ist erstaunlich, was man in der heutigen Welt bekommt, wenn man einfach anständig und freundlich fragt. In den letzten 6 Jahren habe ich schlicht unglaubliche Dinge bekommen. Ganz einfach durch freundliches Fragen.
Bätschi-Kultur FTW #not
Leider herrscht noch immer oft die Meinung vor, dass man es „jemandem mal so richtig zeigen muss“, wenn etwas nicht funktioniert. Es ist vielleicht ein Mittel um seinen persönlichen Frust abzulassen. Es generiert aber praktisch ausnahmslos neue Probleme. Ich bin auch immer wieder erstaunt, wenn mir Leute erzählen, sie hätten Person x oder y so richtig in den Senkel gestellt. Gar damit unterschwellig prahlen. Und gar nicht realisieren, dass die Einzigen, die so richtig dumm in der Landschaft stehen, sie selber sind.
Hart in der Sache – korrekt im Ton
Nun heißt das natürlich nicht, dass wir vordergründig eine heile Welt zelebrieren müssen. Nein. Wir sollen und dürfen weiterhin hart im Kurs und in der Sache sein. Kritisch sein, das fällt heute schwer. Viele Leute verwechseln und mischen diese beiden Dinge. Ich glaube mittlerweile, die beste Art z. Bsp. eine harte und schwierige Verhandlung zu führen, ist eben gerade freundlich und korrekt zu sein.
Please excuse me. But I got to ask.
Are you only being nice
because you want something?
Thom Yorke in „The Eraser“
Grundüberzeugung
Ich bin freundlich zu meinen Mitmenschen aus Überzeugung. Ich glaube, dass wenn wir alle, egal wo wir von der Gesinnung oder Religion oder was auch immer her stehen, freundlich zueinander sind, das Zusammenleben auf diesem Planeten einfach besser ist. Mal gelingt das besser. Mal schlechter. Aber es sollte die Basis sein, von wo wir starten. Freundlich sein kostet nichts. Selbst wenn es nichts bringt. Unfreundlich sein hingegen, kostet immer. Es ist nur eine Frage der Zeit.
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Eine Antwort auf „Mein nicht so geheimer „Trick“ (fast) alles zu bekommen“
Oh wie war. Zusammenstauchen war noch nie mein Ding, aber bei Reklamationen ist es einfach auch unglaublich erfolgreich, wenn man freundlich im Ton, aber bestimmt in der Sache ist.
Schon ein freundlicher Satz wie „Versetzen Sie sich mal in meine Lage: Ich habe das und das erlebt ….. was würden Sie dann machen?“ bewirkt Wunder. Denn das Gegenüber versetzt sich gedanklich dann wirklich in die Situation und sieht, dass man sich berechtigterweise an es wendet.
Und es hinterlässt keine Scherbenhaufen. Das Gegenüber fühlt sich dann sogar gut, wenn es einem hilft und entgegenkommt. Und sollte es ein nächstes Mal geben, ist es gleich positiv gestimmt, wenn es wieder was zu regeln gibt.