Als ich vor 5 Jahren vor einer Konsolidierungsentwicklung im Agenturmarkt warnte und dazu ermunterte, sich entsprechende Strategien zu überlegen, wurde ich mehrheitlich belächelt. Seit letzter Woche ist nun vermutlich die Konsolidierung ins kollektive Branchenbewusstsein eingedrungen. Dabei ist der Prozess schon lange im Gange.
(Lesedauer: 5 Minuten)
Zahlreiche Beispiele
Reply
Die Beispiele sind zahlreich. So hat z. Bsp. Reply über die letzten Jahre viele kleinere Agenturen in Deutschland und England zusammengekauft. Ich habe mich bisweilen ein bisschen über die Qualität der Transaktionen gefragt. Es kam mir teilweise vor, als würde man sich im Zweifel für den Kauf entscheiden. Sieht man sich allerdings Replys Zahlen an, waren sie durchaus in der Lage diese Akquisitionen entsprechend zu integrieren und einen Nutzen daraus zu ziehen.
So kam denn im ersten Halbjahr 2015 15.5% des Gesamtumsatzes aus Deutschland und weitere 12.2% aus England. Die Liste der Tochterfirmen im Geschäftsbericht ist geschlagene 3 Seiten lang (Seite 63). Ich denke Reply macht das ganz geschickt. Ob diese Strategie jedoch längerfristig durchschlagend sein wird, ist davon abhängig, ob die Synergien auch wirklich genutzt werden können.
Pluswerk
Als sich verschiedene kleinere Agenturen zum Pluswerk zusammenschlossen, waren viele Leute sehr skeptisch. Das schien anfangs wie ein perfektes Rezept für Ärger und Streit unter Kleinfirmen. Die Befürchtungen haben sich indes nicht bestätigt, im Gegenteil.
Man hat von außen das Gefühl, die Agenturen wachsen immer mehr zusammen. Wurden am Anfang noch die einzelnen Agenturen in der Kommunikation abgebildet, findet man heute auf deren Website nur eine Einheit. Weiß man nicht wie Pluswerk entstanden ist, man hätte das Gefühl, es ist eine Firma aus einem Guss. In der Tat glaube ich, sie wird das gerade so richtig und das ist ein recht beachtlicher Prozess.
Diva-e
Mit Diva-e haben wir einen weiteren Zusammenschluss der noch ganz am Anfang steht. Was Pluswerk auf Kommunikationsseite macht, versucht diva-e im eCommerce Bereich. Unter Anleitung von Emeram Capital Partners haben sich 6 Agenturen zu einem neuen Player mit bundesweit 380 Mitarbeitern zusammengeschlossen. Man kann sich über die etwas unglückliche Abkürzung eines an sich guten Namens (DIgital VAlue Enterprise) und die von einem offensichtlich falschen Verständnis des Begriffes „Diva“ zeugenden Stageclaims auf deren Website nur wundern. So falsch ist aber auch dieser Zusammenschluss strategisch nicht. Für so einen Player hat es im Markt durchaus Platz.
Traditionelle Consulting Firmen
Eher traditionelle Consultingfirmen versuchen in den letzten 2 Jahren verschiedene vor allem grössere Dienstleister zu kaufen. So kauft Accenture laufend Firmen. Im letzten Jahre unter anderem z. Bsp. die Schwedische Agentur Brightstep. KPMG hat Crimsonwing gekauft und Ernst & Young im November z. Bsp. NorthPoint Digital.
IBM Interactive
Und letzte Woche hat nun IBM seine Shoppingtour geradezu inszeniert: Aperto aus Deutschland, ecx.io und Resource/Ammarati (bitte noch Tags ändern von „Independent“ in „Dependent Marketing Agency“) „fielen“ Big Blue zum Opfer. Es gäbe viele Details zu diesen Deals, die spare ich mir hier, weil ich denke, die haben Sie eh schon alle letzte Woche irgendwo gelesen.
Warum Konsolidierung?
Die Konsolidierung ist durch drei Dinge getrieben.
Unbändige Nachfrage
Zum einen ist da diese unbändige Nachfrage, die es jedem in diesem Markt vergleichsweise einfach macht (wenn Sie denken das stimmt nicht, dann machen sie zum Vergleich mal eine freie Tankstelle auf, Good Luck) seine Zeit für Geld zu verkaufen. In der Tat halte ich die Nachfrage auch für die nächsten Jahre für ziemlich stabil und stark steigend.
Nachholbedarf bei den großen Playern
Viele große Player, gerade aus der IT, haben es völlig verpasst, im Markt für Weblösungen Präsenz zu zeigen und Ableger aufzubauen. Das korrigieren sie nun durch großflächige Zukäufe.
Unternehmerisches „Gebastel“ bei den Agenturen
Die meisten Agenturen sind aus Gelegenheiten entstanden. Von Leuten aufgebaut, die zwar (meist mittelmäßig) programmieren, wohl aber hart arbeiten konnten und leider nur selten gute Unternehmer waren und sind. So können die meisten Agenturen finanziell aus der großen Nachfrage nicht die notwendige Wertschöpfung für sich generieren. Ich kennen ganz viele Agenturen, die sich finanziell durchschlagen und ganz wenige, die wirklich richtig Geld verdienen.
Das führt dazu, dass viele Inhaber von kleineren Agenturen langsam ein bisschen die Schnauze voll haben. Sie haben lange Jahre geackert, sind älter geworden, haben andere Prioritäten (Haus & Kind), trotzdem wirft der Betrieb aber nicht das ab, was z. Bsp. die Kollegen mit ihrer Anwaltskanzlei mittlerweile generieren. Das führt dazu, dass viele Agenturinhaber verkaufswillig sind.
Die schlechte Performance ihrer Firmen der vergangenen Jahre führt jedoch dazu, dass die Bewertungen der Firma tief sind. Dadurch sind natürlich auch die potentiellen Kaufpreise tief. So mancher Agenturinhaber hatte diesbezüglich sehr ernüchternde Erlebnisse in der Due Diligence.
Die klassische Internet-Agentur hat ausgedient
Die klassische Internet-Agentur hat strukturell indes ausgedient. Es gibt sie noch (zahlreich) weil es noch Firmen gibt (zahlreich), die sich noch immer im ersten Schritt hin zur Digitalisierung befinden. Das wird sobald auch nicht ändern. Zum Glück.
Zudem konnten die Versprechen, vor allem jene in Richtung „Full-Service“, nie eingelöst werden. Aperto z. Bsp. hat sich bei mir damit viel Kredit verschafft, als sie offiziell das Full-Service Konzept aufgab. Hier habe ich mal was über das Thema „Full-Service“ geschrieben.
Vielmehr sollten sich Agenturen heute in vielschichtige Technologie und Business-Dienstleister wandeln. Diese Dienstleister machen Coaching, CX Design, Technologie-Implementierung in einem. Auf der Strecke bleiben längerfristig dabei das klassische (entkoppelte) Beratungsgeschäft, die klassischen IT Firmen, die Werbeagenturen und die Internet-Agenturen.
Das Geld um die anderen Bereiche zu übernehmen, haben aber nur die Beratungsgesellschaften und die IT Konzerne. Und, oh Wunder, genau diese Entwicklung sehen wir im Markt.
Die neue Art von Internet-Agentur
Es entsteht langsam aber sicher ein neues Agentur-Verständnis. Der Begriff Agentur verliert sich dabei. Treffender ist: Business/Technologie Transformator. Oder Bahnbrecher. Im Grunde genommen Firmen, die anderen Firmen dabei helfen, Technologie für ihr Business zielführend einzusetzen. Das hat nun mal vornehmlich mit Internet-Technologie zu tun heute.
Reply geht offensichtlich diesen Weg und claimed:
„Wir unterstützen unsere Kunden darin relevante Innovationen nutzbar zu machen, die durch wirtschaftliche Veränderungen und neue Internet-Technologien entstehen“
Strategien
Als strategische Optionen habe ich für heutige Agenturen dieselben Ratschläge wie vor 5 Jahren: Spezialisieren Sie Ihr Unternehmen auf maximal 3 Teilgebiete, die untereinander Synergien ergeben und wählen Sie dann eine der beiden folgenden Optionen:
Wachsen
Versuchen zu wachsen und es aus eigener Kraft zu schaffen, im Markt zu bestehen. Das ist nicht ganz einfach und ich denke auch, der Zug ist bereits ein wenig abgefahren, wenn Ihr Unternehmen heute nicht bereits jetzt +200 Mitarbeiter zählt. Wie immer bestätigt die Ausnahme die Regel.
Schrumpfen
Die andere Option ist, sich klein zu schrumpfen, um mit einem Team von maximal 10 Experten hochspezialisierte Dienstleistungen in Teilprojekten erbringen zu können. Das ist für all jene Inhaber ideal, die zwar gute Fachleute sind, aber keine tollen Unternehmer.
Profitabilität
Vor allem aber kann ich nur empfehlen, die Zahlen in den Griff zu bekommen. Eine EBIT-Marge von mind. 10% ist in einem Markt wie dem unseren ein Must (Ich kann das Raunen hören, ja). Profitabilität ist das A und O in inhabergeführten Agenturen.
Sie gewährleistet, dass grundsätzliche unternehmerische Freiheit erhalten bleibt, dass neue Technologien erprobt und genutzt werden können, dass Fluktuationen und Probleme nicht auf dem Rücken von Mitarbeitern ausgetragen werden müssen (sofern die Gewinne nicht permanent ausgeschüttet werden).
Und sie verhindert, dass bei einem Verkauf des Unternehmens die Inhaber nicht mit einem „Appel und einem Ei“ abgespiesen werden.
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2 Antworten auf „Hier ist sie, die Konsolidierung im Digital Agentur Markt.“
In meinem Umfeld nehme ich auch immer mehr frustrierte Agenturinhaber war, deine Analyse trifft den Nagel gut auf den Kopf
Dann sollten Kapitalgeber an die Inhaber treten, denen Unternehmertum lehren, gutes Wachstum einhauchen und am recht risikoarm machbaren Exit partizipieren.