Immer wieder werden Stimmen laut, welche verkünden, dass Fintech resp. Fintech Start-Ups eine Erscheinung seien, die jetzt langsam aber sicher wieder verschwinden. Dass Fintech „am Ende“ sei. Zuletzt z. Bsp. die Deutschland Chefin von HSBC, Carola von Schmettow. Ich halte das für kompletten Unsinn. Ziemlich verklärter, für die etablierten Finance-Player, gefährlicher Unsinn.
(Lesedauer: 5 Minuten)
„Du bist jetzt Fintech, Alter!„
Als wir mit Accounto angefangen haben, ist ein Kollege auf mich zugekommen und meinte im Scherz „Hey Du bist jetzt Fintech, Alter. Hast Du Dich schon daran gewöhnt?“. Mein Kollege, mit verschiedenen Fintech-Startups in Kontakt, ahnte nicht, dass ich damals noch keinen Plan hatte, was er meinte.
Zwar hatte ich seit Jahren eine kleine Steuerberatung in der Schweiz, aber vom Business, dank guter Mitarbeiter, nicht wirklich einen Plan. Fachlich, also buchhalterisch und finanziell war (und bin) ich kompetent, aber wie man genau traditionell eine Steuerberatung führt als Geschäft, davon hatte ich bis dahin ziemlich wenig Ahnung. Und genau das hat sich als Vorteil entpuppt. Wir taten die Dinge einfach so, wie sie für den Kunden am einfachsten und so wie sie für uns möglichst logisch waren. Etwas, das wir uns bei Accounto bis heute bewahrt haben.
Ein Topf Honig im Bärenwald
Dass wir uns für den Einsatz unserer Machine Learning Technologie den Finanzbereich ausgesucht haben, kam denn auch nicht von ungefähr (und war anfangs keinesfalls gesetzt, btw). Die Gründe warum wir da reingingen, waren simpel:
- Die Transaktionskosten sind krankhaft hoch im Vergleich zu anderen Industrien. Damit meine die gesamten Kosten aller Teilnehmer.
- Die Customer Experience im gesamten Finance-Bereich ist schlicht katastrophal. Es schien uns sehr einfach, die Dinge besser zu machen
- Es sind in der Industrie trotzdem noch immer große Profite möglich.
Das alles schien enorm attraktiv und ist noch immer eine tolle Möglichkeit mit neuer Technologie genau diese Punkte besser zu machen. In vielen Bereichen, so glaube ich, sind regelrechte Paradigmenwechsel anzustoßen und das ist, warum ich mit Accounto in diesem Bereich bin.
Was die etablierten Player durch ihre Untätigkeit und Behäbigkeit getan haben, ist, einen Honigtopf mitten im Bärenwald aufzustellen. Leute wie wir Start-Up Unternehmer, nennen wir uns für einmal Bären (obwohl wir das sonst nicht sind 😊), sind ziemlich schnell zur Stelle, wenn sich die Gelegenheit ergibt.
Das ist ein generelles Muster in der Disruption von Branchen. Der Grund warum neue Player plötzlich neue, viel bessere Produkte lancieren und damit das angestammte Geschäft untermauern, ist immer die Untätigkeit der etablierten Player. Untätigkeit, fehlende Geschwindigkeit, fehlender Mut. Nennen Sie es, wie Sie wollen.
„Der Grund warum es uns gibt, seid Ihr liebe etablierte Player“
Start-Up Leute werden bisweilen nicht müde, das Thema zu bereiten und die etablierten Player als besonders doof hinzustellen. Da bin ich nicht dabei, weil es nicht fair ist. Jeder, der im Markt eine Position erreicht hat, hat zusätzlich zur Innovation die Bürde, diese Marktstellung zu verteidigen.
Start-Up ist diesbezüglich easy. Es gibt nur zu gewinnen, weil gar nichts zum Verlieren da ist. Und es lässt sich so auch sehr einfach eine große Klappe haben. Kein Wunder verkünden dann die von Schmettows dieser Branche dann schon mal das Ende.
Die Zukunft des Bankings
Was ich aber komplett unterschätzt habe, ist das Level der Verzweiflung und Ratlosigkeit vor allem auf Seiten der Banken. Unterdessen gibt es, glaube ich, praktisch keine Bank, die mich nicht direkt oder indirekt kontaktiert hat. Ich habe unzählige Sessions mit Bankenvertretern gemacht.
Ich bin es ja gewohnt, von Führungskräfte um Input über die Digitalisierung angefragt zu werden und wenn es in den Kalender passt, treffe ich mich auch gerne mit Ihnen.
Bei den Banken aber war und ist vieles anders. Eine gewisse verstärkte Torschlusspanik ist spürbar. Und meine Ausführungen wie ich die Entwicklung vom Austausch von Werten in Zukunft sehe, haben dabei natürlich nicht gerade geholfen. Und, als wir drei Monate publik waren, wollten die ersten Banken schon eine Partnerschaft besprechen. Mit einer Firma, die rund sechs Monate alt war. Ich behaupte vor fünf Jahren hätte ich nicht mal einen Termin bekommen, wenn ich den gewollt hätte.
Das große Suchen nach der Rolle der Banken ist in vollem Gange und das ist richtig so. Es zeichnet sich halt ab, dass viele der traditionellen Bankbereiche komplett überflüssig werden. Oder haben Sie das Gefühl, wir werden unsere Werte auf dieselbe Weise fassen und austauschen wie in den letzten 100 Jahren. Ich bin der Meinung, wir haben mit den Cryptocurrencies eine Entwicklung, die im Moment eigentlich nur durch den enormen Energieverbrauch noch so richtig gebremst wird. In einem 1:1 Vergleich mit konventionellen Wegen stehen wir damit aber gar nicht so schlecht da (habe keine Studien gefunden, nur mal grob überschlagen). It all boils down to physics. Denken Sie in Dekaden, die Dinge kommen schnell auf uns zu.
Kauf mich, brauch mich
Diese Verzweiflung führt dazu, dass Fintech-Startups sehr schnell in die Lage kommen, ihr Venture zu verkaufen. Und Jungunternehmer finden es immer toll „mal ein wenig Geld hinter die Firewall zu bringen“, wie es ein Kollege kürzlich formuliert hat. Das ist eine momentane Besonderheit des Finanzbereichs. Auch wir bekamen schon entsprechende, wenn auch reichlich unkonkrete, Angebote.
Daraus zu schließen, das Ende der Fintech-Startups sei gekommen, ist völliger Quatsch. Denn es sind genügend Leute da, welche immer wieder neue Dinge machen. Und die etablierten Player tun halt eben auch nicht genug, um die Lücken zu schließen. Zudem, kann ein Fintech-Unternehmer einen Exit realisieren, wird er sich bei der aktuellen Situation wohl bald ins nächste Venture stürzen. Dieses Mal aber besser finanziert. Das erhöht die Preise für die Innovations-Internalisierung für die bestehenden Player zusätzlich.
Dazu kommt, dass neue transaktionelle Modelle, welche ich für den Finance und Legal Bereich am „gefährlichsten“ halte, dank ICOs gegen „süßes Geld“ sozusagen immun sind. Auch wenn diese Märchengeschichten in Zukunft weniger werden (und werden müssen).
Building Infrastruktur
Vielleicht haben wir aber eben auch eine verfälschte Sichtweise auf den Finanzbereich. Es geht doch darum, wie die Infrastruktur für den Wertetausch aussehen wird. Ich glaube in ein paar Jahren – 20 bis 30 Jahren – wird diese Infrastruktur komplett neu aufgebaut sein. Die Transaktionskosten werden sich enorm reduziert haben und die Player von heute haben sich entweder gewandelt oder sind nicht mehr am Tisch.
Wie vieles in Transformationsprozessen ist das Zusammenspiel aller Akteure zu komplex, als dass man diese Transformation bewusst vornehmen könnte. Es entwickelt sich, den physischen Grundlagen folgend, über lang oder kurz selbständig. Fintech-Startups in dem Bereich sind die tausend kleinen Helfer, die an den vielen Stellen Umbrüche einleiten. Und solange es im Finance-Bereich Optimierungspotential gibt, wird es auch Start-Ups geben. In diesem Sinne denke ich, stehen wir erst am Anfang der Fintech-Start-Up Bewegung. Es gibt noch viel zu tun.
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