Vor zwei Jahren habe ich einen Artikel mit dem reißerischen Titel „Dear Banks, it’s so over“ geschrieben. Darin legte ich mich darauf fest, dass es für klassische Retail-Banken in Zukunft sehr schwierig werden wird. Das ist soweit eingetreten, was ich aber insgeheim eigentlich erwartete, war, dass es zu einer erdrutschartigen Veränderung kommen würde. Diese ist bislang ausgeblieben. Die Zeichen mehren sich jedoch, dass die Finanzbranche in nächster Zeit ernsthaft umgebrochen wird.
(Lesedauer 5 Minuten)
Altbekannte Signale
Aufgeschreckt wurde ich diese Woche durch ein Interview mit dem CEO einer kleineren Bank in der Schweiz. Beim ersten Überfliegen des Textes war ich mir in der Mitte nicht mehr ganz sicher, ob ich jetzt wirklich ein Interview mit einem heutigen Banker oder mit einem Fashion-Retail-CEO vor 5 Jahren lese. Zu ähnlich waren die Aussagen: Wachstum gehe nun mal mit Nähe zum Kunden, was bedeute, dass man die Retail-Locations ausbauen müsse. Es fehlte, dass er erwähnte, man wolle in den Filialen ganz besondere Emotionsmomente schaffen. Die Digitale Onboardingstrecke würde nur von sehr wenigen Kunden genutzt, sie würden alle Prozesse möglichst digitalisieren.
„Nähe zum Kunden definiert sich heute nicht mehr über die physische Präsenz des Anbieters“
Ich bin überzeugt, dass die Bank sorgfältig evaluiert hat, was Ihre Kunden gerne hätte und ich zweifle keinen Moment daran, dass dabaie heraus gekommen ist, dass Kunden sehr gerne Filialen haben. Ich habe natürlich auch nichts gegen schöne Filialen. Ich denke aber falsch daran ist, dass man sich an Kunden, die heute ins Gewicht fallen ausrichtet. Dies darum;
Eine Bank für die nächste Generation bauen
Man mag von Kai Hudetz der von IFH Köln halten was man will. Ich hatte ihn einmal vor rund 8 Jahren bei PayPal über die demografische Entwicklung und die Nutzungsgewohnheiten des Internets referieren sehen und was er zeigte, war mir eine Lehre: Die Altersgruppen der damals aktuellen Kundschaft nutzten das Internet punktuell und schauten z. Bsp. enorm viel fern, während die heranwachsende Generation de fakto bereits fast alles auf dem Smartphone und mit dem Internet machte. Seine damals rhetorische Frage sinngemäß: Und wo und wie glauben Sie, werden diese Jungen mal einkaufen, wenn sie ins Erwachsenenalter kommen? Was mit dem Fashion-Retail in der Zwischenzeit passiert ist, ist allen bekannt. Wenn wir Businesmodelle für morgen bauen, lohnt es sich auf die Generation der Leute zu sehen, welche heute noch nicht relevant sind.
Im Bankbereich ist es heute ganz ähnlich. Eine neue Generation von Menschen wächst heran, die erstmal überhaupt keinen Bezug zur Bank mehr hat. Während ich früher noch ein Bankbüchlein und ein „Kässeli“ (Schweizerdeutsch für Sparschweinchen) hatte, also sozusagen direkt nach dem Abstillen einen Bezug zur lokalen Bank hatte, haben das meine Kinder heute nicht mehr. Im Gegenteil. Sie wunderten sich letzte Woche sichtlich, als ich im Skiurlaub den heißen Kakao mit Bargeld und nicht mit dem Mobiltelefon bezahlt habe. Was werden meine Kinder im Bezug auf Banken tun, wenn sie älter sind?
Banking entlang den Use-Cases
Natürlich braucht es Banking-Dienstleistungen auch in Zukunft. Die Gretchenfrage ist jedoch, welche genau und wie sollen diese auf die Anbieter gebündelt sein?
Ich denke was Sinn ergibt, ist die Bündelung entlang von typischen Use-Cases. Der Zahlungsverkehr eines Kleinunternehmens hat doch mit dem Finanzierungsgeschäft eines großen Produktionsbetriebs keinerlei Gemeinsamkeit. Oder mit dem Hypothekargeschäft oder mit Konsumkrediten. Warum wird also z. Bsp. der Buchhaltungsanbieter nicht gleichzeitig Bankkonto und bietet eine perfekte Customer Experience für genau dieses Segment.
Die Angebote und Tätigkeiten einer heutigen Retail-Bank lassen sich quasi für jeden Bereich sezieren und einem anderen, nicht bankverwandten Use-Case zu ordnen. Was daraus entsteht, ist so etwas wie „Ubiquitous Banking“. Banking, das im jeweiligen induzierten Geschäftsfall integriert ist – und allgegenwärtig und damit beiläufig passiert.
Schwieriges Umfeld
Viele Banker sagen heutzutage, sie müssten sich in einem schwierigen Umfeld behaupten und spielen dabei unter anderem vor allem auf die niedrigen Zinsen resp. Minuszinsen an. Was die Situation zusätzlich verschärft ist, dass die Standard Retail Bankdienstleistungen eine immer tiefere Zahlungsbereitschaft erfahren. Je mehr von diesen jungen Erwachsenen ins bankfähige Alter aufsteigen, desto schlimmer wird das. Bereits heute finden viele Konsumenten ein Bankkonto dürfte nichts kosten. Es ist eine Frage der Zeit bis mehr und mehr Anbieter diesem Trend nachgeben und die Kosten der Standard-Bankdienstleistungen als Akquise-Aufwand für die hoch-margigen qualifizierten Dienstleistungen betrachten. Der Druck wird sich graduell nur erhöhen.
Ein Player für die Post-Banking-Ära
Die Frage ist also, wie könnte ein Banking-Anbieter aussehen, der sich für eine Post-Banking-Ära aufstellt? Ich bin der Meinung, dass sich das klassische Bankgeschäft in grundsätzlich drei Segmente wird aufteilen.
Das eine Segment ist das Investitions- und Vermögensverwaltungsgeschäft. Hier sehe ich kleine Privatbanken schon heute gut aufgestellt, da die langjährige persönliche Beziehung zu vermögenden Kunden weiter relevant fürs Business bleiben wird. Die Herausforderung für diese Unternehmen ist, diese Beziehung digital zu unterstützen und der Umgang mit dem Kunden so einfach wie möglich zu gestalten.
Das zweite Segment sind die Softwareanbieter der Use Cases in der Vertikale. ERP-Anbieter, POS-Anbieter und allen voran die Konzerne welche bereits eine hohe Interaktion mit den Kunden haben. Es wäre fatal zu glauben, dass Amazon, Apple und Facebook ihren Fuß nicht in den Zahlungsverkehr und Finanzierungen setzen werden. Die etwas bange Vermutung warum sie es noch nicht mit Vehemenz getan haben, ist möglicherweise, dass sie die Zeit noch nicht als reif ansehen, um einen schnellen umfassenden Umbruch in der Branche zu erwirken.
Für Retailbanken (wie übrigens auch Versicherungen) ergeben sich große Chancen, genau in diese Vertikalen durch Eigenleistung oder Zukauf einzutauchen und neuartige Finanzdienstleistungen anzubieten, welche sich mit guten Margen verkaufen lassen. Das schwierigste dabei ist wohl, sich von der klassischen Vorstellung was eine Bank tun sollte, zu lösen. Ist das ein Stück weit geschehen, scheint es mir im Moment noch sehr einfach, da rein zu kommen.
Und das dritte Segment sind technologisch orientierte Marktplätze für Finanzdienstleistungen und Transaktionen, welche die anderen Segmente zusammenbringen. Mit dem Zusammenschluss von Finleap und figo entsteht in Deutschland so langsam ein solcher Player. Tink und Plaid gehen in dieselbe Richtung. Damit kommen wir der Vorstellung der Kunden, dass Standard-Bankdienstleistungen nichts kosten dürfen immer näher.
Gestalten anstatt Verwalten
Alle drei Segmente zusammen zu fassen, wird enorm schwierig und riskant werden. Erstaunlicherweise gehen die großen Retailbanken aber im Moment allem Anschein nach genau diesen Weg. Ich möchte im Moment nicht in den Schuhen der Bankmanager stecken. Denn die Zeit des Verwaltens ist definitiv vorbei. Die Karten werden, wie gerade auch in der Automobilbranche, in den nächsten Jahren komplett neu verteilt. Und an die Stelle des Verwaltens tritt das Gestalten – mit all seinen Risiken und Chancen.
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