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Digitalisieren Sie zuerst Ihr Produkt, nicht Ihr Unternehmen

In der Fülle von Studien, Whitepapers und Key-Notes zur Digitalen Transformation geht bisweilen ein wenig unter, was eigentlich das Ziel der «Übung Digitale Transformation» ist: Sich an digitaler Technologie zu bedienen, um sein Produkt und die Prozesse dahinter besser zu machen. Ich bin immer wieder erstaunt, wie rund um das bestehende Projekt wie wild mit Digitalisierungs-Projekten um sich geworfen wird. Während das Produkt im Kern so bleiben soll, wie es die letzten 20 Jahre war. Unternehmen, welche in der Digitalisierung richtig erfolgreich sind, konzentrieren sich aber in der Regel auf ihr Produkt.

(Lesedauer: 4 Minuten)

Softwarebasierte Produkte

Apple hat es mit dem iPhone vorgemacht: Sie haben dem Telefon die Knöpfe und Tasten genommen. Sie haben Hardware mit Software ersetzt. Das ist, was Sie grundsätzlich auch tun müssen. Ja, so banal ist es. Das ist der erste Schritt in ein digitales Zeitalter Ihrer Firma. Damit kann Ihre Digitalisierungsstrategie in einen Satz gepackt werden: „Wir ersetzen mittelfristig und hardwarebasiertes Produkt durch ein softwarebasiertes. Was danach kommt, schauen wir dann.“ (Ok, zwei Sätze…)

Get rid of the knobs

Hardware ist teuer und unflexibel

Hardware hat erhebliche Nachteile: Sie ist teuer zu produzieren und zu designen. Sie ist in der Regel wartungsintensiv. Bei Defekten muss Hardware ausgetauscht werden. Je mehr bewegliche Teile Ihre Hardware hat, desto übler. Und Hardware kann nicht an neue Anforderungen angepasst werden. Kann Ihnen kein Feedback geben.

„Vorbild“ Tesla

Wie das geht, hat Tesla vorgemacht. Sie haben Apples Konzept der Hardware-Reduktion und die Substitution durch Software kopiert. Anstatt ein ganzes Armaturenbrett zu entwickeln, Hardware-Teile zu engineeren, einzukaufen und zu testen, haben sie möglichst viel Funktionalität durch Software umgesetzt. So lassen sich fast sämtliche Features des Wagens elektronisch steuern.

Durch die Digitalisierung ergeben sich eine ganze Reihe von Vorteilen:

Over the Air (OTA) Software-Updates

Von anderen Herstellern kennen wir das. Das Auto muss zum Software-Update oder Reparaturen in die Werkstatt. Das ist mühsam und teuer. Viel schlimmer ist allerdings, dass die Software des Autos nicht kontinuierlich weiterentwickelt werden kann. Der Teil, den man weiterentwickeln könnte, bleibt rückständig. Bei Tesla sind neue Updates alle 3 bis 6 Wochen verfügbar. Man startet sie wie auf einem Smartphone.

Tesla ist so in der Lage, das Auto auch nachträglich zu verbessern. Viele dieser Updates sind trivial. À la «es gibt jetzt eine verbesserte Kartenansicht». Aber es waren bereits einige mit dabei, welche das Auto in den Grundfunktionen verbesserten. So wurde z. Bsp. ganz am Anfang beim Launch des Model S ein initiales kurzes Rückrollen des Wagens beim Anfahren an steilen Strassen innert Tagen mittels OTA Update gefixt. Bekannter ist sicher, dass Tesla die Beschleunigungswerte bei ausgewählten Modellen per Software Update verbesserte.

Kostenvorteile

Ein softwarebasiertes Produkt ist über alle Prozesse gesehen einem hardwarebasierten immer überlegen. Denn sobald Fehlerbehebung und Verbesserungen remote gemacht werden können, fallen viel weniger Kosten an. Weitere Einsparungen ergeben sich durch günstigeres Hardware-Engineering. Demgegenüber stehen höhere und neue Kosten auf Seite des Softwareengineerings.

Produkt-Mehrwert

Sobald Sie Ihr Produkt softwarebasiert aufgestellt haben und es remote erreichbar ist, können Sie relativ einfach Mehrwerte für den Kunden schaffen. Standard ist heute der Zugriff auf das Produkt über eine App. Lassen Sie den Kunden das Produkt steuern, senden Sie dem Kunden Infos zu Ihrem Produkt. Die Anwendungsfälle sind praktisch unbegrenzt. Nicht alles macht Sinn. In Gesprächen mit Kunden finden wir gemeinsam aber mindestens immer zwei bis drei Features, die für den Kunden wirklich erheblichen Mehrwert darstellen.

Ecosystem

Mit einem softwarebasierten Produkt ist es zudem viel einfacher, ein Ecosystem aufzubauen. Anbieter, die komplementäre Produkte und Dienstleistungen anbieten, können so vergleichsweise einfach in ihr Produkt eingebunden werden. Das hat den Vorteil, dass der Kunde zum einen von der Kombination profitiert. Zum anderen können Sie Nutzer des komplementären Produkts zu Ihrem Produkt «ziehen».

«Quick-Win»?

Im Zusammenhang mit softwarebasierten Produkten von einem «Quick-Win» zu sprechen, ist ziemlich vermessen. Es geht weder schnell, noch ist es einfach ein grundlegend neues Produkt zu entwickeln. Aber es ist schon eine ziemliche «Low hanging fruit» (toll diese englischen Buzzwörter!). Denn das Konzept ist erprobt und vom Kunden bereits verstanden und akzeptiert.

Deshalb muss man sich fragen, warum es viele traditionelle Hersteller nicht schaffen, diesen offensichtlichsten Schritt zu machen. Die deutschen Automobilhersteller zum Beispiel. Dass sie den Einstieg in die Elektromobilität gründlich vermasselt haben, ist nachvollziehbar und gewissermaßen legitim. Dass sie aber spätestens 2009 nicht realisierten, dass ein softwarebasiertes Auto radikale Vorteile bietet. Man muss es nicht verstehen. Die Zeche dafür bezahlen sie in der Zukunft.

Start-Up Rohstoff

Es gibt viele traditionelle Produkte, welche bislang nicht auf ein softwarebasiertes Konzept umgestellt wurden. Wie lange haben wir vom digitalen Kühlschrank gesprochen. Es hat Jahre gedauert, bis sich nun Samsung mit dem Family Hub daran gewagt hat. Zwar ist das Gerät noch extrem teuer und erst in den USA erhältlich, aber es kommt dem, was man sich von einem Kühlschrank in 2016 wünschen kann, schon ziemlich nahe.

Für mich ist diese Armada an analogen Produkten so etwas wie Start-Up Rohstoff. Mit einem solchen, transformierten Produkt erfolgreich zu sein, ist ziemlich wahrscheinlich. Das Konzept dahinter ist denn ja auch nicht revolutionär. Der Impact im Markt kann dennoch gewaltig sein. Gerade auch weil softwarebasierte Produkte auf lange Zeit unter dem Strich in Kostenführerschaft gehen werden.

Wunschliste

Kaffeemaschine, Rasenmäher, Waschmaschine, Tumbler, Luftentfeuchter, Sitzungstische, Air-Conditioner, Heizung, Backofen/Steamer/Mikrowelle/Herd… Man muss nicht lange nachdenken, um eine lange Liste mit möglichen Kandidaten zu erhalten. Spannender finde ich allerdings den B2B Bereich: Unzählige, teils recht komplexe Maschinen basieren heute noch immer auf einem analogen Konzept. Da gibt es gerade für Marktführer sehr gute Ausgangslagen, um sich weiterzuentwickeln und den Kunden erheblich bessere Produkte bieten zu können.

Digitale Transformation «von innen heraus»

Mit dem Produkt in die Digitale Transformation zu starten, fühlt sich erstmal intuitiv nicht so richtig an. Sicher ist die Veränderung oder gar Neugestaltung der eigenen Produkte die schwierigste «Disziplin» der Digitalen Transformation (Stichwort: „Kannibalisieren wir uns dadurch nicht?“). Ich glaube aber, dass man generell die schwierigsten Probleme zuerst angehen sollte. Und ja, das liegt nicht in der Natur des Menschen.

Aber es ist das, was Sie tun sollten, denn es ist durch den Blueprint von Apple konzeptionell ziemlich einfach geworden, ein Produkt zu digitalisieren. Es ist wohl schwer aber nicht so schwer wie man meint. Zudem, ja natürlich gilt das nicht für alle Unternehmen. Aber wohl für die meisten, die ein analoges Produkt produzieren.

Ein Vorteil einer solchen Transformation von innen heraus ist, dass die Organisation mit einem neuen Produkt intuitiv lernt, mit neuen Prozessen und Methoden umzugehen. Es gibt wohl nicht viel, das in einer Belegschaft besser akzeptiert wird als ein Produkt, welches von den Kunden mit Begeisterung aufgenommen wird. Sie schlagen damit also so gesehen zwei Fliegen mit einer Klappe.

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2 Antworten auf „Digitalisieren Sie zuerst Ihr Produkt, nicht Ihr Unternehmen“

eine flexible Software bedingt eine ebenso flexible Hardware. Nur auf eines dieser Elemente zu gucken, ist zu kurz gesprungen und im Moment wird eben nur die Software-Entwicklung favorisiert, eine Sackgasse eben.

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