Eine Petition auf Initiative des Bundesverbandes Deutsche Startups e.V. fordert die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD dazu auf, eine oder einen Digitalminister zu benennen. Ich denke, das ist gut gemeint. Es ist aber die falsche Maßnahme. Was wir in der Politik benötigen, ist mehr Weitblick. Weiter als das, was wir heute Digitalisierung nennen.
(Lesedauer: 4 Minuten)
„Digitalisierung“ geht immer irgendwie.
Die Digitalisierung oder Digitale Transformation ist ein unglaublich dehnbarer Begriff geworden für alles Neue und Andere der jetzigen Zeit. Viele verstehen darunter technische Aspekte, andere kulturelle, wieder anderer methodische und viele alles zusammen. Es ist unglaublich schwierig, in der Sache auf den Punkt zu kommen und umso einfacher immer ein bisschen darüber zu texten. Digitalisierung geht eben immer irgendwie im Moment.
Es ist daher nicht so ganz klar, was denn die verschiedenen Anspruchsgruppen meinen, wenn sie ein Digitalministerium fordern. Wahrscheinlich alle wieder etwas leicht anderes. Im Petitionstext heißt es:
„Unsere Schulen und Universitäten stecken in der Kreidezeit fest, Staat und Verwaltung arbeiten analog. Beim Ausbau der Breitbandinfrastruktur fehlen wirksame Impulse und die Wirtschaft findet keine international wettbewerbsfähigen Rahmenbedingungen vor. Darunter leidet bereits heute die Innovationskraft. Wir drohen endgültig den Anschluss zu verlieren, mit fatalen Folgen für Arbeit, Wohlstand und sozialen Frieden.“
Natürlich ist es korrekt, dass wenn man den Staat mit „Digitalem Mindset“ betrachtet, das Gefühl aufkommt, dieser stecke im letzten Jahrhundert fest. Dass die Wirtschaft keine international wettbewerbsfähigen Rahmenbedingungen vorfinden würde, ist aber wohl ziemlicher Blödsinn.
Dass die Innovationskraft leiden würde, naja, das kann man natürlich immer irgendwie punktuell argumentieren. Aber wer Deutschland indirekt eine schwache Innovationskraft unterstellt, tut diesem Land unrecht. Die Deutschen schaffen es beim innovativ sein einfach nicht, cool auszusehen, gewissermaßen. Das ist nicht dasselbe. Und, es reicht eben nicht, die Anzahl Unicorn-Startups zu vergleichen, um sich über die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit eines Landes ein Bild zu machen.
German Kultur
Und warum in Deutschland vieles nicht so doll vorangeht, wie wir „Technologiehipster“ das gerne hätten, liegt daran, dass diese „German Kultur“ eben immer zuerst das Haar in der Suppe sucht. Das führt im Engineering zu guten Lösungen, in der Strategie und Durchsetzung jedoch zu einem lähmenden Perfektionismus.
Und, mit Verlaub, viel Zeit und Energie wird auch immer darauf verwendet, zu klären, wer denn genau zuständig ist. Dass daran ein Digitalministerium etwas ändert, bezweifle ich sehr stark. Im Gegenteil. In welchem Bereich hat denn ein Ministerium etwas Nachhaltiges konsequent bewegt? Zum Beispiel im Verkehr? Der Dieselbetrug und die indirekte Verbandelung des Verkehrsministeriums lassen grüßen.
Wir brauchen ein Ministerium für Wandel
Die Digitalisierung wie wir sie heute kennen, ist nur der Anfang eines Zeitalters des sich beschleunigenden Wandels. In fünf Jahren lachen wir über den Begriff Digitalisierung und viele, die sich heute nicht in Tech geben, würden sich wünschen, es wäre nur bei der heutigen landläufigen Definition von „Digital“ geblieben.
Die Frage ist doch in Bezug auf die Politik, wie die Rahmenbedingungen so laufend angepasst werden, dass Wandel möglichst sozial verträglich und permanent geschehen kann. Ein Wandel der kleinen Schritte statt der schmerzhaften Big-Bangs.
Denn an bestehenden Strukturen starr festzuhalten, verschlimmert die Auswirkungen des technologisch bedingten Wandels. Ich habe das im Artikel zur „Perpetual Disruption“ im Detail ausgeführt.
Die einzige logische Herangehensweise ist, Wandel sozial zu antizipieren und die Kadenz der Erneuerung zu erhöhen. Bleibt man beim Erhalt und oder Verteidigung der bestehenden Strukturen, wird das, was ich „Disruptions-Schuld“ genannt habe immer grösser. Und das bedeutet, es wird für die Menschen von Mal zu Mal schwieriger den Effort zu leisten.
Was wäre also zu tun?
Ein Ministerium für Wandel sollte vorauslaufende Indikatoren in den verschiedenen Branchen aufnehmen, Technologieanalyse ausführen und mit Technologieführern Strategien für Technologieübergänge ausarbeiten. Diese Strategien sollten dann in allen anderen Bereichen vor allem in der Legislation Einzug finden. Auch Steuererleichterungen sind ein gutes Instrument, um neue Stränge zu begünstigen.
So könnte an vielen Enden alte Technologie und Methoden nicht weiter begünstigt, sondern erschwert werden. Und neue Ansätze würden gezielt gefördert, ohne dazu Subventionen und/oder andere Undinge, die nur sehr schwer zu handeln sind, zu bemühen.
Berufe der Zukunft
Ich denke eine wichtige Rolle kommt der Berufsausbildung zu. Welche Berufe fördern wir? Welche behindern wir? Eine zukunftsgerichtete Steuerung ist schlicht nicht vorhanden. Warum begünstigen wir die Ausbildung zum Kraftfahrer mit Förderzuschüssen? Weil wir im Moment gerade viele Kraftfahrer benötigen? Benötigen wir diese in zehn Jahren auch noch? Wahrscheinlich nicht. Wann ist also der richtige Zeitpunkt, diese Zuschüsse zu kappen und das Geld in andere Berufe zu stecken?
Sie sehen, es ist nicht ganz einfach. Und genau darum benötigen wir ein Ministerium des Weitblicks, des Wandels. Um zu steuern, bevor der Kahn auf Grund läuft und mühsam wieder ins tiefe Gewässer gezogen werden muss. Und, wenn ich diesen für einmal politischen Kommentar loswerden darf, die Herausforderungen in der Sachpolitik schaffen immer weniger Raum für Parteikämpfe, wie wir sie die letzten Monate gesehen haben. Es braucht alle am Tisch und es braucht Kompromissfähigkeit, um weiter zu kommen.
Über die eigentliche Digitalisierung, im Sinne von digitalem Zugang und Prozesse, der Verwaltungen und des Staats brauchen Sie sich indessen keine Sorge zu machen. Auch der Staat setzt, zwar immer erheblich später als die Privatwirtschaft, die wirtschaftlicheren Lösungen ein. Er wird also unweigerlich digitalisiert. Wenn Sie das darunter verstehen, nur ruhig Blut. Und Geduld.
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