Ich habe mit mir gerungen, diesen Artikel überhaupt zu schreiben. Denn in diesen Blog gehören keine politischen Artikel. Nicht, weil ich es mir mit der einen oder anderen politischen Seite nicht verscherzen möchte, nein. Sondern, weil ich Politik für erheblich störend für die gesellschaftliche Entwicklung halte. Was nun folgt, könnten Sie als politischen Artikel auffassen. Er ist aber einmal mehr der Versuch, durch das dichte Geflecht unserer Analogien hindurch zu sehen.
(Lesedauer: 7 Minuten)
Der wird nie Präsident
Ich mag mich noch gut erinnern an jenen Sommerabend, als ich realisierte, wie eine amerikanische Bekannte sich schlecht fühlte, weil sie Clinton gewählt hatte. Nicht etwa weil sie Clinton so schlecht fand, sondern weil sie realisierte, dass Trump doch tatsächlich Kandidat werden kann. Und ein «Clinton gegen Trump» am Ende extrem knapp werden würde. Ich habe ihr damals schon fast großmaulig entgegnet, dass das ganz, ganz sicher nicht passieren würde. Ihre Erwiderung hatte es in sich: «Du weißt, die USA ist das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Das gilt nicht nur für die guten Geschichten»
Eine schlechte Geschichte
Als er dann tatsächlich gewählt wurde, rieb ich mir wie viele andere die Augen. Aber na ja. Kucken wir mal wie sich das entwickelt. So dachte ich mir. Unter den vielen Versprechungen und Ankündigungen hatte es ja für jeden etwas dabei. Für mich war das, dass «lieber Partnerschaft als Krieg mit Russland geführt werden soll» oder dass der Irakkrieg der grösste Fehler der USA war.
Für andere war es wahrscheinlich diese Mauer zu Mexiko. Für wieder andere, dass mit den Lobbyisten in Washington aufgeräumt werden soll. Andere fanden es vielleicht cool, die Dinge by the pussy zu grabben. Was weiss ich.
Und so reihte ich mich wie viele andere ein, in das kollektive: «Er ist ein Idiot, aber x und y ist gar nicht so schlecht». Das «kucken wir mal, wie sich das jetzt entwickelt».
Programmatische Spaltung in «Us and them»
Die erste Pressekonferenz fand ich äusserst unterhaltsam, weil Trump sich noch zum grösseren Affen machte, als er bereits war. Saturday Night Live hätte es nicht besser machen können. Das Lachen verging mit aber gehörig, als die zweite Pressekonferenz ein Muster bewusster programmatischer Spaltung erkennen liess. Da sind Profis am Werk.
Das Ziel wird klar: Mit einer weiteren Spaltung der Gesellschaft in Mitglieder der Bewegung und dem restlichen Haufen der Bürger so lange fort zu fahren, bis nur noch ein Wort gelten kann. Das der Administration Trump.
Was kümmert mich Amerika
Nun könnte man sich denken, was kümmert mich Amerika. Wenn die dort jemanden haben wollen, der ihr Land wirtschaftlich noch schneller in Schwierigkeiten bringen wird als Bush, nur zu. Das greift jedoch zu kurz, denn die Welt ist schon lange nicht mehr aufgeteilt in Länder, in souveräne unabhängige Staaten. Und das gilt ganz besonders für die westliche Welt.
Wirtschaftliche vs Gesellschaftliche Globalisierung
Wenn wir von Globalisierung sprechen, meinen wir allgemein immer den globale Handel, die kommerzielle Dimension dieser Verschiebung. Ich betrachte diese Entwicklung und/oder die Bewegung die dahintersteht als gescheitert. Denn die grundsätzliche Idee hinter der wirtschaftlichen Globalisierung war, dass eine Umverteilung stattfinden wird und die Gewinner dieser Entwicklung die Verlierer zumindest schadlos halten werden. So, das besagt die Theorie, hat am Schluss jeder mehr als vorher.
Leider hat sich das nicht bewahrheitet. Wir sehen wirtschaftliche Verlierer der Globalisierung überall auf dem Planeten. Und, das stört uns in der westlichen Welt natürlich ganz gewaltig, es sind eben nicht nur Fremde weit weg davon betroffen, sondern Menschen überall in den kapitalistischen Ländern. Dazu kommen jene, die keine Opfer sind, sich aber gerne als Opfer sehen. Und z. Bsp. in der reichen Schweiz den Klassenkampf neu aufleben lassen wollen. Die per se wahnwitzige politische Aufteilung in Links und Rechts wird zwar mehr denn je propagiert, die Grenzen zwischen genau diesem Links und Rechts sind jedoch schon fast «situativ» fließend.
Es ist diese Masse der Unzufriedenen, die mobilisiert wird, sagt man. Die Rust Belt Poors – die Hartzer Amerikas. Mit dem nicht unwesentlichen Unterschied, dass es in den US so gut wie keine Stütze gibt.
Gesellschaftliche Globalisierung
Die gesellschaftliche Globalisierung hingegen ist meiner Meinung nach unumkehrlich. Es liegt in der Natur des Menschen, dass er sich mit immer mehr Menschen verbinden will. Das heißt jedoch noch lange und vor allem nicht, dass er all seine persönlichen Errungenschaften mit anderen teilen will. Aber der Mensch ist nun mal per se der Erkunder, der Erforscher. Und das ist gut so.
Verfechter von starken Nationalstaaten negieren diese Tatsache gänzlich. Sie übersehen in der Regel fast schon bewusst, dass überregionaler und interkultureller Austausch essentiell ist, um als Gesellschaft weiter zu kommen.
Gut möglich, dass das Aufkommen neuer nationalistischer Polemik in Tat und Wahrheit ein letztes Aufbäumen gegen eine einheitlichere westliche Welt ist. Die Gegenreaktion auf diesen Trend wird das Ende des souveränen Nationalstaates wie wir ihn kennen einläuten. Die Frage ist, sind wir in der Lage diesen Übergang friedlich zu bewältigen?
Und wir haben nun die technologischen Möglichkeiten, diese gesellschaftliche Globalisierung voran zu treiben. Vergleichen Sie sich z. Bsp. mit Ihrem Vater und fragen sie sich wie viele Kollegen aus «fremden» Ländern Sie haben und wie viele er hatte. Der Unterschied ist selbstredend. Diese Entwicklung wird sich stark beschleunigen. Und das ist gut so.
Krieg und Elend als Brandbeschleuniger
Krieg und Elend beschleunigt diese natürliche Wanderung nur. Ich weiß schon, dass das zynisch klingt.
Umso perverser ist, dass gerade die USA diese ganzen Kriege immer wieder unterstützt haben. Damit waren und sind sie nicht alleine, sondern die ganze westliche Welt macht seit Jahrzehnten eigentlich nichts Wirksames gegen Krieg und Elend in fremden Staaten. Anstatt vor Ort präsent zu sein, Lösungen zu suchen, wird mit Sanktionen gearbeitet und parallel fleissig Waffen in die betreffenden Regionen geliefert.
Die Angst
Damit diese Kriege möglich werden, muss die Angst umgehen. Früher im kalten Krieg hiess das: «Du, der Russe kommt». 2001 wurde der Kommunismus durch den Terrorismus als Quelle der Angst abgelöst. Als würde jemand Terror aus Lust und Laune machen. Dass dahinter Beweggründe und eben gerade auch unterschiedliche Motive stehen, wird unter den Tisch gekehrt. Und die westliche Welt kauft es seit 2001 ohne zu zögern ab.
Wenn man die Fakten ansieht, ist Terrorismus ein unbedeutendes Problem. Wir haben sogar sehr viel weniger terroristische Ereignisse als in den 70er oder 80er Jahren. So starben z. Bsp. 2010 rund 13’000 Menschen in einem terroristischen Akt. Im selben Jahr sind rund 3.5 M Menschen an kindlicher Unterernährung, 1.2 M Menschen im Strassenverkehr und 2.5 M Menschen an den Folgen des Alkoholkonsums gestorben. Weitere 700k Personen haben sich sogar freiwillig aus dem Leben genommen.
Von all dem hören wir aber in der täglichen Berichterstattung praktisch nichts. Immer geht es um den dämlichen unspezifischen Terrorismus. Niemand fragt nach den Hintergründen und alle haben sie Angst.
Muslim Ban
Und hier schließt sich der Kreis wieder. Um die Spaltung und letzten Endes eine Machtsicherung zu erreichen, erlässt ein kleiner Personenkreis nun diese Einreisebeschränkung. Ich werte sie zum einen als Gradmesser der Angst und zum anderen als Ausloten des eigenen Handlungsspielraums. Eine sachliche Begründung für die Massnahme, welche belastbar wäre, lässt sich auf jeden Fall nicht finden.
Zuversicht
Mit dem westlichen Verständnis von Freiheit ist ein solcher Akt nicht mehr vereinbar. Zum einen gibt es auf dem Papier den souveränen Nationalstaat, der doch wohl bitte tun und lassen können darf, was ihm beliebt. Auf der anderen Seite gibt es die globalisierte Welt, welche ihre eigenen Wertmaßstäbe an- und aus meiner Sicht hoffentlich auch durchsetzt. Grenzen haben langfristig betrachtet so oder so keine Zukunft.
Weckruf
Wichtig finde ich, dass wir den Weckruf hören und tatsächlich aus dem Zuschauermodus aufwachen. Sie und ich. Nicht die anderen. Die Mehrheit der apolitischen. Wir tun aber gut daran, nicht in die kollektive Hysterie und das so beliebte Apokalypsen-Denken zu fallen. Nein, die Welt wird nicht untergehen wegen Trump. Es wird nicht mal die USA untergehen wegen Trump. Confidence is everything. Aber die westliche Welt hat die Pflicht den Anfängen zu wehren.
Wie das geschehen soll, ist fraglich. Plumpe Opposition ist kontraproduktiv, brachiale Rhetorik sowieso. Beides spielt Spaltern in die Hände. Das Offensichtlichste ist, diesen Leuten inklusiv zu begegnen. Sie die Fehler machen zu lassen und Ihnen gut zu zu reden, damit sie ohne das Gesicht zu verlieren, daraus lernen können. Auf dass die gesamten Rückwärtsgewandten lernen mögen, dass 300+ Jahre alte Ansätze heute nicht mehr zum Ziel führen. Das ist ein gewagtes Experiment, kann es doch leicht aus der Kontrolle geraten. Aber immer noch besser als die offene Konfrontation, welche mit Bestimmtheit außer Kontrolle gerät. Und die schlussendlich nur einen Verlierer kennt: Den Mann, die Frau auf der Strasse.
Und: Die letzte Option, eine Art Operation-Overload, in die umgekehrte Richtung muss nicht gestartet werden, denn sie läuft bereits. Einfach eher digital und aus der breiten Gesellschaft. Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass wir als eben diese westliche Gesellschaft dieselben Fehler wie vor 90 Jahren nicht nochmals machen. Aber ja, man weiß ja nie.
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Eine Antwort auf „Das sich abzeichnende Ende des „souveränen Nationalstaats“!“
Der mündige Untertan ruft die Polizei, der mündige Bürger informiert seinen Anwalt! (Petan)