Ich muss es anscheinend immer wieder erleben, dass Leute sich bei mir ausweinen, wie schwierig es doch sei, heute im Business das richtige zu tun. Diese Digitalisierung sei eine gewaltige Herausforderung, ganz etwas Heikles. So viel Unsicherheit. Und überhaupt. Man möchte Ihnen jeweils zurufen: Aufwachen! Willkommen im hier und jetzt. Im richtigen Leben.
(Lesedauer 5 Minuten)
Vom Wald, den Pilzen, dem Wolf, dem Pferd und der fetten Wiese
„Wer es jetzt noch nicht geschnallt hat, für den wirds wirklich schwierig“ denk ich mir dann jeweils. Wo waren diese Leute die letzten 10 Jahre? Es gibt sie, diese Branchen, welche die letzten 10 Jahre sozusagen in einem abgelegenen Wald verbracht haben. Sozusagen vom bösen Wolf unbehelligt, in Ruhe Pilze sammeln konnten.
Nun, der böse Wolf wird sie alle erwischen. Manche schneller und offensichtlicher, andere langsamer, zuerst im verdeckten, um dann plötzlich knurrend vor einem auf dem Weg zu stehen.
An dieser Stelle, meine verehrte Leserschaft sei Ihnen ein Geheimtipp verraten: Der böse Wolf ist in Tat und Wahrheit ein wildes Rennpferd.
Die Kunst in diesem Umbruch ist anscheinend folgende: Nachdem man das Tier als bösen Wolf wahrgenommen hat, zu realisieren, dass es ein Rennpferd ist. Und gerade im Anschluss die Fertigkeit zu entwickeln, auf das Pferd steigen zu können und es im Galopp aus dem dunklen Wald auf die fette Wiese reiten zu können.
Ich hoffe, ich habe Sie mit dieser kleinen Fabel nicht schon verloren. Im Beratersprech würde das heißen: Erkennen Sie, dass die Digitalisierung keine Bedrohung, sondern eine enorme Chance ist. Entwickeln Sie die Fähigkeiten diese Chance zu nutzen, um einen Wettbewerbsvorteil zu erwirken. Wie langweilig.
Digital ist das neue normal
Als Grundlage eines jeden wirtschaftlichen Handelns heute kann man ganz einfach davon ausgehen, dass die digitale Abwicklung von schlicht allem das Normale ist. Zugegebenermaßen ist das in gewissen Bereichen schon offensichtlicher und in anderen weniger. Wenn Sie aber heute noch Lösungen und Prozesse definieren, die nicht von einem „digitalen Boden“ starten, ist das ganz einfach kreuzfalsch. Das gibt es kein Wenn und Aber.
Das muss noch lange nicht heißen, dass es nicht auch nicht-digitale Alternativen gibt und geben muss. Nur sollten sie als Bonus, als Tribut an die Vergangenheit mit sehr begrenzter Lebenserwartung gesehen werden. Und so muss auch investiert werden.
Dinge für heute sichern und halten, an den Dingen von morgen arbeiten. Es ist gedanklich so simpel, doch sehe ich in die Wirtschaft, wird so oft der Status-Quo bedoktert und was kommen mag, ja das könne ja niemand wissen. Ist das so?
Nein. Ich bin zum Schluss gekommen, es war noch nie so einfach in der Geschichte der Menschheit mögliche Szenarien der unmittelbaren Zukunft (2-3 Jahre) zu entwickeln und mit Eintretenswahrscheinlichkeiten zu versehen. Das nicht etwa, weil die Welt wie wir sie machen, per se vorhersehbarer geworden wäre, sondern weil einfach so viele Informationen jederzeit frei zur Verfügung stehen. Man muss sich nur die Arbeit machen. Sie verstehen jetzt vielleicht meinen Frust mit der Zukunftsforschung, die sich irgendwie darauf eingeschossen hat, anstatt wissenschaftlich rational zu arbeiten, lieber bunte Präsentationen mit Roboterbildern zu geben.
Neue Technologie nutzen, um die Kundenkosten zu senken
Nun zurück zum Wald. Nein. Es ist einfach nicht schwierig zu wissen, was man tun sollte. Am Besten fängt man beim Kunden an. Denken Sie in totalen Kosten, die ein Kunde mit Ihnen hat.
Da sind zum einen die direkten monetären Kosten, die er zu bezahlen hat, um ein Produkt oder eine Dienstleistung zu beziehen. Ich kann ihnen schon verraten, bei den allermeisten Produkten sind die nicht so wahnsinnig wichtig. Weitere Kosten sind der zeitliche Aufwand, den der Kunde bei der Nutzung Ihres Produktes hat und den Frust, den die Nutzung des Produktes generiert. Demgegenüber stehen der konkrete, nüchtern betrachtete Nutzen und der emotionale Nutzen, die Freude, die großartigen Gefühle, die ein Kunde bei der Nutzung des Produkts oder der Dienstleistung hat. Unter dem Strich resultieren die totalen Kosten, die immer negativ sein müssen.
Es ist auf den ersten Blick vielleicht wenig intuitiv, den Nutzen als negative Kosten zu formulieren. Je länger Sie sich im Prozess der Verbesserung auseinandersetzen, desto logischer wird es aber.
Das einfachste was man nun tun kann ist, die Kosten für den Kunden durch den Einsatz der Technologie zu senken. Ein perfektes Beispiel dafür sind meine Kollegen von VIAC in der Schweiz. VIAC ist eine Vorsorgeprodukt, welches komplett über eine App aufgesetzt und verwaltet werden kann.
Der konventionelle/traditonelle Prozess mit solchen Produkten sieht vor, dass man einen halben Wald an Papierkram zugeschickt bekommt, den mit Kugelschreiber ausfüllt und den ganzen Kram wieder zurücksendet. Das Ganze dauert Tage und ich muss mich aktiv darum kümmern, darf es nicht vergessen. Verzögert sich mein Teil, weil ich z. Bsp. gerade wichtigeres zu tun habe, ruft mich jemand an und stört mich zusätzlich. Im schlechtesten Fall bin ich als Kunde schon sauer, bevor ich das Produkt abgeschlossen habe. Notabene ohne, dass irgendjemand etwas Falsches getan hätte.
Ein Prozess der nicht nur langwierig, sondern unglaublich mühsam ist. Die Leute bei VIAC haben im Grunde etwas Banales getan. Sie haben sich einfach bei jedem Schritt überlegt, wie sie diesen mit neuer Technologie so einfach wie möglich gestalten können. Herausgekommen ist ein Produkt, das einfacher nicht sein könnte und doch viel mehr bietet als die Konkurrenz. Dass sie auch bei den direkten monetären Kosten die Führerschaft innehaben, half sicher auch mit, das wahnsinnige Wachstum zu ermöglichen. VIAC hat das Zeug dazu, den Markt für dies Art von Vorsorgelösung in der Schweiz vollkommen zu kapern. Die bestehenden Anbieter können sich glücklich schätzen, dass VIAC bislang noch nicht erhebliche Summen ins Marketing steckte. Das jedoch nur am Rande.
Was hat VIAC, was bestehende Banken und Versicherer (welche diese Produktkategorie auch anbieten) nicht haben? Auf den ersten Blick nichts. Im Gegenteil, objektiv gesehen haben bestehende Player meist mehr von allem. Was Ihnen aber offensichtlich fehlt, ist das Mindset zur Frage: Wie können wir Technologie einsetzen, um für den Kunden ein Produkt besser zu machen? Diese totalen Kundenkosten zu senken? Wie muss das Vorsorgeprodukt im Jahr 2018 aussehen?
Eine Vielzahl an Branchen, die komplett ohne dieses Mindset operieren
Gehe ich als Konsument mit offenen Augen durchs Leben, wird es mir an vielen Stellen unglaublich schwierig gemacht. Denken Sie an den Offline-Einkauf. Die Liste an Dingen, die schon mit einfachem Technologieeinsatz vereinfacht werden kann, ist schier unendlich. Der Handel hat es leider komplett verpeilt, indem er sich auf eine Trennung in Off- und Onlinekunde fixiert hat. Das ist ein künstliches Szenario. Weder der Online- noch der Offlinekäufer werden morgen auf dieselbe Art und Weise einkaufen wollen, wie sie es heute tun.
Das ganze Finanzwesen versteigt sich mehr und mehr in die Compliance, anstatt zu parallelisieren. Es gibt eine wachsende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die alteingesessene Finanzszene wie wir sie heute kennen, daran regelrecht zu Grunde gehen wird. Die Frage „Wie können wir es unseren Kunden so einfach wie möglich machen?“ höre ich in den Diskussionen über Produkte mit Banken fast nie. Über Compliance aber habe ich gefühlt schon mehr gesprochen, als ich in meinem ganzen Leben Urlaub machte.
Nein. Heute zu wissen, was zu tun ist, das ist wirklich einfach. Ich behaupte, dass ich (und viele welche mit Technologie vertraut sind) für jede Firma mit 4 Tagen Vorbereitung und 1 Tag Workshop einen 5 Punkte Plan mit konkreten Maßnahmen, die maximalen Impact auf diese totalen Kundenkosten haben, aufstellen kann. Das ist alles wirklich nicht mehr schwierig. Es ist 2018. Also hören Sie auf, mit strategischen-rhetorischen Fragestellung rum zu posen. Es zeigt nur, dass sie sich gedanklich noch immer im letzten Jahrzehnt befinden.
Umsetzung, puh
Nun, „gut gebrüllt Löwe“ werden Sie denken. Und recht haben Sie. Es ist immer einfach etwas zu texten, eine Strategie auszuarbeiten und einen Plan aufzustellen. Die Realität dem Plan anzupassen, ist hingegen eine richtige Herausforderung. Der Spreu trennt sich vom Weizen denn vor allem bei der Umsetzung. DAS ist wirklich schwierig, auch im 2018.
Und es ist soviel schwieriger in einem großen Unternehmen solche Veränderungen herbei zu führen. Die Abhängigkeiten, die kulturellen Gepflogenheiten, die festgefahrenen Beziehungen – all das ist Gift für Veränderung. Nun ist das von meiner Seite eine anerkennende Erklärung, warum es großen Unternehmen oft schwer fällt, umfassende Veränderung zu erwirken. Es ist aber keinesfalls eine Entschuldigung dafür, eben diese Veränderung nicht in Angriff zu nehmen. Gerade eben weil wohl nichts schlimmer ist, als gar nichts zu tun.
Und hey mal ehrlich, es ist 2018. Die Digitale Transformation ist doch schon durch. Nicht weil alle schon voll digitalisiert wären (was für eine Vorstellung), sondern weil „Digital“ nun das neue „Normal“ ist. Der neue Grundwasserpegel im Brunnen der Wirtschaft.
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