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Open Source PIM

Akeneo: Interview mit CEO Frédéric de Gombert

Akeneo, der Open Source Anbieter für Product Information Management, ist dabei den Markt umzukrempeln. Ich habe den Mitbegründer und CEO des Start-Ups zu seinen Erfahrungen und Einschätzungen der letzten 24 Monate befragt.

(Lesedauer 7 Minuten – Übersetzung aus dem Englischen)

Fréderic, letzten Januar waren es zwei Jahre her, seit Ihr Akeneo gegründet habt. Ich nehme an, wie bei jedem Start-Up war es eine turbulente Zeit. Wie fühlst Du Dich?

Frédéric de Gombert, CEO und Co-Founder Akeneo
Frédéric de Gombert, CEO und Co-Founder Akeneo

Glücklich und Stolz! Als wir dieses Projekt Ende 2012 mit Benoit, Nicolas und Yoav (meine Partner) gestartet haben, wussten wir, dass es eine echte Nachfrage für ein Open Source PIM gibt und es war auch ziemlich klar, was wir tun mussten, um diese Nische zu füllen. Aber es gibt in Open Source Projekten ja immer ein gewisser „unerwarteter Zauber“: 15’000 Installationen unserer Software in sehr kurzer Zeit über den Globus verteilt zu sehen, Kunden zu treffen und zu hören, dass wir ihr Leben sprichwörtlich verändern (einer unserer Kunden in den US hat sogar eine Produktlinie „Akeneo“ benannt!), täglich neue Geschichten und Projekte zu entdecken, all das ist schon eine unglaubliche Erfahrung. Gleichwohl setzt uns das aber auch unter (gesunden) Druck. Vor zwei Jahren war PIM für viele Retailer und Merchants noch ein eher nebulöses Konzept (auch in Deutschland, wo der Markt bereits viel reifer ist). Heute ist das anders: PIM ist nun ein offensichtlicher Layer in fast jeder Multi-Channel-Strategie und auch haben die Merchants ihre Erwartungen erhöht. Das ist für uns eine grossartige Chance aber auch eine echte Herausforderung, denn wir sind so gezwungen, permanent innovativ zu sein.

Wie Du von meinen vorherigen Artikel zu Akeneo weisst, denke ich, dass Akeneo eine wesentliche Lücke im Open Source Toolkit für eCommerce Merchants ausfüllt. Wie profitiert Ihr von dieser Konstellation? Wie stark seid Ihr von Magento abhängig?

In den letzten 15 Jahren haben Open Source Modelle viele traditionelle Softwaremärkte tiefgreifend verändert. Es hat mit CMS angefangen: Bevor CMS wie TYPO3, WordPress, eZ Publich oder Drupal aufkamen, war es nicht ungewöhnlich, dass eine Firma, welche eine Corporate Website aufsetzen wollte, hundertausende Euro in den Kauf und ins Setup eines Enterprise Content Management Systems investierte. Und derselbe Umbruch passierte im Bereich ECM (Alfresco oder Nuxeo haben wir den Markt verändert), im Bereich CRM (SugarCRM), im Bereich eCommerce (Magento, Oxid, Shopware, etc) und in vielen weiteren Bereichen. PIM war sozusagen die letzte Bastion für die „althergebrachten“ Software-Hersteller. Und es gibt eine starke und „dringende“ Nachfrage nach einer Open-Source Alternative (dein vorheriger Artikel dazu war der erste, der diesen Sachverhalt beleuchtete und unser Statement in gewisser Weise „validierte“). Und nicht nur wegen den Kosten! Eine PIM Software ist eine Middleware, die zu einer Vielzahl von Drittsystemen (ERP, eCommerce platform, ETL, XLS-Sheets, …) verbunden werden muss. Wenn man da eine starke Community hat, die in der Lage ist Plug & Play Konnektoren für diese Drittsysteme zu entwickeln, ist das ein Vorteil gegenüber traditionellen Anbietern.

Wir sind sehr nahe am Magento Ecosystem. Zum einen natürlich wegen Yoav. Zum anderen aber auch durch meinen persönlichen Background (bevor ich Akeneo gründete, hatte ich für Smile, einen grossen Magento-Integrator in Europa, gearbeitet). Wir wussten, dass nur ein sehr kleiner Teil der Magento Merchants schon ein PIM nutzt und dass die meisten mit XLS-Sheets so ihre Mühe hatten. Einen nativen Magento-Connector anzubieten, war daher ein sehr natürlicher Schritt. Überraschenderweise, auch wenn wir bei den Magento-Merchants sehr gut verankert sind, haben wir aber schnell entdeckt, dass die Betreiber von Drupal Commerce, Demandware oder sogar Hybris ganz ähnliche Probleme und Bedürfnisse haben. Heute sind 50% unserer Kunden nicht Magento-Merchants.

Wie viele Eurer Projekte sind eCommerce Projekte? Gibt es im PIM-Bereich noch reine Print-Projekte (Kataloge, etc.)?

Etwa 75% unserer Projekte sind eCommerce-Projekte. Aber mehr und mehr sehen wir bei diesen Projekten, dass in einem zweiten Schritt auch Print-Anforderungen ein Thema werden. Und wir habe tatsächlich auch ein paar „Print-Only“ Projekte (Papier ist nicht tot!). Aber es wird wohl nie ein bedeutender Teil unseres Geschäfts werden, da eCommerce Teil unserer DNA ist. An dieser Stelle möchte ich auch die tolle Arbeit von unseren Freunden von Naolis erwähnen. Sie haben eine sehr gute InDesign-Extension für Akeneo gebaut, welches den Akeneo Usern erlaubt, das Layout ihrer Druckunterlagen zu erstellen, bevor es nach InDesign exportiert wird.

Wenn man Euer Funding ansieht, denke ich es ist eher tief. Ist eine neue Finanzierungsrunde in Planung?

Wir haben das Kapital aufgenommen, das wir benötigten (ca. 2 Mio. € bis jetzt) um wachsen zu können und gleichzeitig die volle Kontrolle über die Unternehmensstrategie zu behalten. Fremdkapital zu organisieren, ist zeitaufwändig und kann stark vom Wesentlichen ablenken. Wir waren vor unserer letzten Finanzierungsrunde im September 2014 profitabel, hatten jedoch die Möglichkeit mit einem passenden VC (Alven) zusammenzuarbeiten und unsere Entwicklung zu beschleunigen. Ähnliche Chancen prüfen wir wohl in Zukunft auch, wenn wir sie erhalten. Aber wir suchen im Moment nicht aktiv nach einer neuen Finanzierungsrunde.

Wie läuft das Business allgemein? Wie viele Enterprise Editionen wurden bisher verkauft?

Es läuft ganz gut in Europa. Wir haben im Moment mehr als 35 Enterprise Edition Kunden (seit dem Release vor 6 Monaten) und diese Zahl wächst rasant. Die Nachfrage von Community-Edition-Usern, die nach Enterprise Edition upgraden wollen, erhöht sich grad laufend. Mit dem momentanen Trend von rund +1500 neuen Community-Edition Installationen pro Monat denken wir, dass das erst der Anfang der Geschichte ist….

Gibt es Beispiele, wo Ihr proprietäre PIM Hersteller in Pitches rausgeworfen habt?

Man könnte meinen, dass Open Source unser hauptsächliches Alleinstellungsmerkmal ist, wenn wir uns gegen proprietäre Hersteller in Pitches vergleichen müssen. Das ist aber nicht so. Der Hauptgrund warum unsere Kunden unsere Lösung bevorzugen, ist unser intuitives User Interface. Meistens sprechen wir allerdings Marketer an, welche in Akeneo eine echte Alternative zu ihrer „XLS-Sheet-Hölle“ sehen, auch wenn sie bereits eine bestehende PIM/PCM Software im Einsatz haben. Wir haben zum Beispiel in der Schweiz einen Kunden, der sich entschieden hat, mit Akeneo sein Hybris PCM abzulösen, um mehr Flexibilität zu gewinnen. Dieser Kunden nutzt für den eCommerce-Layer noch immer Hybris, Akeneo ist nun aber sein zentrales Repository für Produktinformationen.

Es sieht so aus, als würdet Ihr Euren Release-Versions Spitznamen geben. Was hat es damit auf sich?

Wir haben für unsere erste öffentliche Betaversion einen Spitznamen gesucht und da diese Beta (wie alle Betaversionen) ein paar Bugs beinhaltete, hat einer unserer Entwickler vorgeschlagen sie doch „Bugs Bunny“ zu nennen. Wir mochten die Idee, wollten aber ein Konzept finden, welches wir einfach auf zukünftige Versionen erweitern können. Wir haben uns dann entschlossen, jede Akeneo Community-Edition nach einer Bugs Bunny Episode zu benennen… Das ist warum dann die erste Beta-1 den Namen „A wild hare“ trug (die allererste Ausgabe von Bugs Bunny).

Für die Enterprise Edition hatten wir nach etwas eleganterem gesucht. Wir haben uns einfach darauf geeinigt, den Versionen die Namen von Blumen zu geben, die Akenes (Achäne) produzieren (Achäne sind eine Art Samen).

Wenn ich mehr über eine Strategie einer Unternehmung erfahren will, kucke ich mir in der Regel zuerst einmal die offenen Stellen an. Eure zeigen, dass Ihr plant, das Team in 2015 um 30 Vollzeitstellen zu erhöhen. Was werden diese Leute für Akeneo tun?

Wir planen unser Team bis Ende Jahr auf 55 Personen aufzustocken. Wir verstärken damit hauptsächlich das Produkt-Team, um neue Features zu liefern und das Produkt ganz allgemein zu verbessern. Wir wissen auch, dass Support und Education in einem Open Source-Ecosystem enorm wichtig sind. Wir investieren daher in diesem Bereich gerade sehr viel, damit wir unsere Partner und die Community unterstützen können.

Wenn ich Eure Channel-Aktivitäten betrachte, sehe ich, dass Sébastien einen fantastischen Job macht. Trotzdem denke ich, dass eine Präsenz in Deutschland und den US, wo Magento ja auch stark ist, unabdingbar sind, um global erfolgreich zu sein. Gibt es Pläne in naher Zukunft Niederlassungen oder Gebietsverantwortliche aufzubauen, um die Channel-Aktivitäten zu unterstützen und zu verstärken?

Sébastian und sein Team machen tatsächlich einen fantastischen Job. Aber Du hast schon recht. Wir sollten uns hier verstärken. Deutschland ist ein Schlüsselmarkt für uns (zweitgrösste Trafficquelle für unsere Website) und wir fassen mehr und mehr Fuss. Aber wir wollen nicht denselben Fehler wie Magento machen und glauben man könne mit Deutschland arbeiten wie mit jedem anderen europäischen Land wie z. Bsp. Frankreich, UK, etc. Deutschland ist ein komplett anderer Markt als Frankreich. Reifer, fragmentierter und auch viel wettbewerbsbetonter! Aus diesen Gründen wollen wir im 2015 ein lokales Office eröffnen. Wir suchen im Moment nach den richtigen Leuten, um ein Team aufzubauen.

In den US ist die Lage anders. Auch wenn wir dort bereits ein paar grosse Kunden haben (shop.com z. Bsp.), ist der Markt noch nicht so entwickelt, birgt jedoch ein hohes Potential. Wir überlegen noch immer, wie wir unser Business in den US am Besten beschleunigen können, aber wir werden zu Beginn des 2016 sicher eine eigene US Niederlassung haben.

Ihr führt Yoav als Berater und Mitgründer auf Eurer Website auf. Was genau ist seine Rolle und sein Einfluss auf Euer Projekt/Firma im Moment?

Yoav hat uns von Anfang an grossartig unterstützt. Und er tut es noch immer! Du weisst wahrscheinlich, dass Akeneo (wie auch OroCRM) auf der Oro Plattform basiert. Diese Plattform ist ein sehr ambitioniertes Projekt, da wir 3 Softwareprodukte in einem sehr kurzen Zeitraum entwickeln mussten: Die Plattform, OroCRM und Akeneo! Nur ein wahrer Visionär kann so etwas umsetzen. Und Yoav hat es getan.

Auch wenn Yoav keine ausführende Rolle bei Akeneo hat, ist er doch sehr in das tägliche Leben der Firma involviert. Wir besprechen regelmässig unsere Firmenstrategie und seine Erfahrungen mit Magento sind dabei unbezahlbar.

Ich erinnere mich, dass Ihr mal in einer Release Note geschrieben habt, dass Ihr es liebt, „unberechenbar“ zu sein (im besten Sinn des Wortes, als ihr angekündigt hattet, die Versionen 1.1 und 1.2 zu überspringen und direkt die Version 1.3 der CE zu releasen). Was können wir von Euch in den nächsten 12 Monaten erwarten?

Netter Versuch! Aber wir wären ja nicht mehr unberechenbar, wenn wir hier alles offenlegen würden! Das Einzige, was ich sagen kann, ist, dass wir im 2016 ein neues Produkt releasen werden. ;-)

Da bin ich gespannt! Fred, vielen herzlichen Dank für das Interview.

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