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Bildung

Warum lehren wir die wichtigste Sache in der Schule nicht?

Wiesenschaumkraut, Eichelhäher, Feldahorn, Vogelbeere. Haselmaus, Natternkopf, Stockmalve, Kuckuslichtnelke. Ich kann sie alle. Warum? Weil ich sie in der Schule lernen musste. Warum musste ich sie lernen? Ja, diese Frage konnte mir bis heute niemand schlüssig beantworten. Und ich habe die Frage, als latent schulverdrossener Knabe, immer mal wieder gestellt.

Aus heutiger Sicht habe ich in den vielen Jahren, in denen ich in Ausbildung war, Dinge gelernt, welche heute nicht so richtig relevant sind. Teilweise waren sie es bereits damals nicht.

Schule von gestern für morgen

Als Vater von mittlerweile 3 Kindern im Grundschulalter bekomme ich mehr Einblick in den Schulalltag als mir manchmal lieb ist. Die Lehrerinnen und Lehrer machen einen guten Job, alles ist organisiert, an alles wird gedacht. Der Kontrast zu meinem damaligen Unterricht könnte nicht grösser sein.

Der größte Unterschied ist wohl, dass tatsächlich nicht mehr so viel auswendig gelernt wird. Das ist gut in einer Welt, in der ich enorm viel Wissen jederzeit sozusagen aus der Hosentasche abfragen kann. Erstaunlicherweise werden jedoch die Basics nicht systematisch gelehrt, obwohl es dazu mittlerweile recht viel Forschung und gute Erkenntnisse gibt. Folgende 2 Bereiche verdienten aus meiner Sicht ein eigenes Schulfach:

Fach 1: Lernen

Ich war lange ein schlechter Schüler – Lernen war für mich vor allem dann einfach, wenn mich das Gebiet sehr interessierte oder aber ich notenmäßig so mit dem Rücken zur Wand stand, dass es schlicht die einzige Möglichkeit war zu verhindern, dass ich mich nochmals ein Jahr damit beschäftigten musste. Ein wenig besser wurde es erst im Studium.

Erstens interessierte mich der Stoff da grundlegend und ich konnte, sozusagen als Unternehmer im Nebenamt, das Gelernte im Betrieb direkt anwenden. Trotzdem war Lernen meine Art vor Prüfungen „rumzueiern“; eine wirre Auseinandersetzung mit dem Stoff, den ich an Tag X können musste. Ich habe jeweils viel Zeit in mühsame Aktivitäten gesteckt und es hat dann Noten-massig immer so irgendwie gereicht. Daraus entstand ein schlechtes Selbstbild: „Ich kann einfach nicht richtig lernen und ich werde wohl irgendwie zu dumm dafür sein.“

Schnell realisierte ich jedoch, dass ich in „Real-World-Situationen“ sehr wohl schnell lernen konnte. Wie konnte es also sein, dass ich gezielt und organisiert schlecht, in wichtigen Situationen ad hoc aber sehr gut lernen konnte. Das hat mich für das Thema sensibilisiert und ich habe Stück für Stück gelernt, gezielt in ein Gebiet einzuarbeiten, sprich, es zu lernen.

„Es gibt nichts Wichtigeres als lernen zu lernen.“

Das schwierige an Lernmethoden ist, dass nicht jeder Mensch auf dieselbe Art und Weise gleich schnell und gut lernt. Umso wichtiger ist, dass man sich auch tatsächlich damit auseinandersetzt.

Es ist mir schleierhaft, warum „Lernen“ in der heutigen Schule kein eigenes Fach ist. Ist man erst einmal gut im Lernen, ist alles was zu lernen ist, verhältnismäßig einfach.

Fach 2:  Scheitern & Resilienz

Ein weiteres wichtiges Fach, von dem ich denke, dass es fehlt, ist das „Scheitern“. Scheitern, sprich in einer Aufgabe nicht erfolgreich sein, ist enorm wichtig. Das Perfide am Scheitern ist, dass es zum einen sehr demotivierend sein kann, gleichzeitig aber auch die beste Basis für schnelles und effizientes Lernen ist. Ob man Scheitern als Lernbasis nutzen kann, entscheidet das „richtige“ Mindset. Wer gelernt hat, zu scheitern, danach Schlüsse zu ziehen und weiterzumachen ist erfolgreich. Wer das nicht kann, gerät oft in eine Spirale des abnehmenden Selbstvertrauens.

Ganz allgemein wird Kindern heute viel zu oft die Möglichkeit genommen zu scheitern. Sie verstehen oft gar nicht, dass es im späteren Leben durchaus die Möglichkeit gibt zu scheitern und sie lernen oft nicht, schon früh mit dem eigenen Scheitern umzugehen.

Dieses grundsätzliche Verständnis der eigenen Leistung (resp. Nicht-Leistung) ist entscheidend darüber, ob man später im Leben effizient lernen und mit Herausforderungen in gesunder Weise umgehen kann.

Ich glaube, wenn wir unseren Kindern in der Schule diese beiden Fächer von der ersten Klasse an mitgeben könnten, wäre ihnen enorm geholfen. Denn die Themen, die Lehrpläne mögen sich durch den Wandel der Zeit verändern, der Umgang mit persönlicher Lernmethodik und dem Scheitern bleibt vorerst erstmal relevant. Heute wie auch morgen.

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