Ich glaube die Software-Industrie bietet im Moment großartige Möglichkeiten für Anbieter neuartiger Businesslösungen. Die Veränderungen durch die Cloud und vor allem durch AI werden für die Softwarebranche tiefgreifender sein als viele annehmen. Das ist gut, birgt aber große Herausforderungen.
Langsamer als erwartet, aber dann doch schneller da
Es ist typisch, dass wir die technologische Entwicklung immer wieder falsch einschätzen. Davor sind Personen aus der Tech-Branche bekanntlich nicht ausgeschlossen. Noch nicht offensichtliche Trends zu erkennen ist mit der nötigen Zeit und Akribie in der Regel relativ leicht. Die Entwicklung und das Momentum eines solchen technologischen Trends einzuschätzen hingegen ist enorm schwierig.
AI ist für die Softwarebranche ein Game-Changer
Dieser Effekt spielt meiner Ansicht nach auch in der Softwareindustrie eine Rolle. Es findet sich selten jemand, der nicht ernsthaft behauptet, AI würde in Zukunft eine Rolle spielen. Fragt man dann aber nach, wo konkret denn diese Rolle sein könnte, bekommt man eher schwammige Antworten.
Das ist gleichermaßen logisch wie problematisch. Logisch zum einen, weil Entwicklung von AI mit dem Paradigma der klassischen Softwareentwicklung in weiten Teilen bricht. Problematisch zum anderen, weil mit dem breitflächigen Einzug von AI in die Softwarewelt das bestehende, traditionelle Software-Geschäftsmodell obsolet wird. Denn um das volle Potenzial und damit vollen Kundennutzen von AI zu erreichen, reicht das bisherige (grossartige) Modell von «Software-Erstellen» und «Kopien-Verkaufen» nicht mehr. Vielmehr wird die Software zum Service-Partner für den Kunden. Software wird für den Kunden vom puren Werkzeug zum Partner, der Hand in Hand mit dem User Arbeit erledigt.
Storming-Phase
Noch ist davon nicht viel zu sehen. AI wird punktuell für banale Aufgaben in Business Software eingesetzt und die Vorteile sind begrenzt. Um bahnbrechende Vorteile zu ermöglichen, muss das ganze Lösungskonzept und damit auch das Businessmodell neu gedacht und gestaltet werden. Wo zum Beispiel bislang eine Buchhaltungssoftware ein Werkzeug für Buchhalter war, wird in Zukunft AI-basierte Software den Grossteil der repetitiven Arbeiten komplett übernehmen.
Ich gehe davon aus, dass wir eine ganze Weile noch eine Storming-Phase bei Anbieter wie auch bei Kunden sehen werden. Am Ende gewinnen wie immer jene Lösungen, welche die ökonomisch besten Grundlagen schaffen für den Kunden. Und in dieser Hinsicht können radikale AI-basierte Lösungen überzeugen. Denn diese sind nicht einfach wiederum ein Stück besser, sondern eröffnen dem Kunden ganz neue Möglichkeiten bei gleichzeitig radikalen Einsparungen. Sie kreieren eine neue Kategorie Software.
Redefinition von dem, was Software ist
Für die Softwareanbieter ist das schwierig. Denn erstmal bedeuten solche Paradigmenwechsel Investitionen an jeder Ecke. Zugleich sehen wir, dass AI-basierte Softwareunternehmen in der Regel eine schlechtere Bruttomarge als reine SaaS-Unternehmen aufweisen, weil Software nicht mehr nur aus Code, sondern aus Code UND Daten besteht. Ein solcher Paradigmenwechsel bedeutet den Umbau des Software-Geschäftsmodell. Und das gehört definitiv auf den Tisch eines jeden Führungsverantwortlichen in Software-Unternehmen. Lieber heute als morgen.
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Dieser Artikel wurde ursprünglich im topsoft Magazin publiziert.
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