Seit September letzten Jahres bin ich im Rahmen unserer Venture-Builder Aktivitäten von TREA bei Fairwalter eingestiegen und begleite zusammen mit Mattia Rüfenacht, der auch bei TREA ist, das Team von Fairwalter. Recht oft werde ich darauf angesprochen und darum dachte ich, ich könnte doch einfach die Gründer von Fairwalter hier mal kurz zu Wort kommen lassen: Ein Interview mit Max Wirz, einem der Gründer von Fairwalter.
Hey Max, stell doch Fairwalter noch einmal kurz vor!
Fairwalter ist ein Web-basiertes ERP zur Immobilienverwaltung. Damit decken wir alle Prozesse von der Vermarktung und administrativen Bewirtschaftung über Finanzen bis hin zur technischen Bewirtschaftung ab.
Was hat für Euch vor 3 Jahren den Ausschlag gegeben, Fairwalter zu gründen?
Als wir uns entschlossen haben, Fairwalter zu gründen, kannten meine Mitgründer Severin Maegerle, Simon Jutz und ich uns schon eine Weile und der Gedanke, Abläufe in der Immobilienverwaltung zu digitalisieren, hatte uns schon vorher unabhängig voneinander beschäftigt. Als Mieter einerseits natürlich aber auch als als Entwickler / Unternehmensberater andererseits war dieses Bedürfnis eigentlich schwer zu übersehen.
(Ein Teil des Fairwalter-Teams (und Partner) anlässlich der Weihnachtsfeier 2019)
Und warum dann konkret ein ERP?
Es gab zwar viele innovative PropTech-Startups im Bereich Vermarktung, Mieter-Kommunikation und einigen anderen Teilprozessen. Aber ein Web-basiertes ERP, um all die innovativen Lösungen für Teil-Prozesse auch zu verbinden und eine zentrale konsistente Datenbasis zu garantieren, das gab es erstaunlicherweise nicht. Heute übrigens auch noch nicht. Wir haben darüber mit vielen Verwaltungen und privaten Vermietern gesprochen. Wir fanden schnell Bestätigung: Es war und ist ein großes Thema.
Ihr wart also vom Start weg sicher, dass ihr ein echtes Bedürfnis adressieren würdet?
Ja voll. Man liest ja immer wieder, dass bei Startups eine der größten Gefahren darin besteht, am Bedarf vorbei zu entwickeln. Da hatten wir jetzt grundsätzlich nach weniger Bedenken. Allerdings haben wir völlig unterschätzt, was für ein dickes Brett wir da bohren wollten und haben viel länger als geplant gebraucht, um unser erstes Produkt auf den Markt zu bringen.
Das tönt vertraut, leider. Am Anfang ist man immer naiv.
Klar – vielleicht hätten wir Fairwalter gar nicht erst gegründet, wenn wir gewusst hätten, dass wir 1 Jahr zum MVP und fast 2 ½ Jahre bis zur jetzt gerade erschienenen wirklich modernen und vollständigen Version brauchen würden. Wobei man auch sagen muss, dass wir Fairwalter teilweise recht lange neben unseren Tagesjobs gemacht haben. Auch hatten wir das Glück, dass Simon (unser CTO) bereits vorher ERPs entwickelt hatte und wir dadurch viel Know-How am Start hatten.
Was waren denn die größten Herausforderungen – mal abgesehen davon, dass die meisten Dinge bei genauerem Hinsehen etwas komplexer als gedacht sind?
Eine große Herausforderung – für die meisten B2B SaaS Startups – ist am Anfang schnell Kunden zu gewinnen. Sind deine Produkt-Ambitionen hoch, verbringst du doch recht viel Zeit mit der Entwicklung ohne echtes Kundenfeedback zu erhalten. Aber es ist teilweise gar nicht so leicht, proaktiv Kundenfeedback zu suchen und dann auch an dich heran zu lassen, wenn du viel Zeit und Geld investierst und noch nicht sicher bist ob es gut kommt. Die erste Verwaltung als Kunde zu gewinnen war daher ein echter Meilenstein. Danach wurden wir mit Feedback überschüttet und konnten viel fokussierter weiterentwickeln.
Jetzt habt ihr vor ein paar Tagen eine neue komplett überarbeitete Version lanciert. Was sind denn die wichtigsten Verbesserungen?
Die Navigation und das Design sind jetzt sehr aufgeräumt und man findet sich intuitiv zurecht. Unsere Kunden sind sich WhatsApp und iPhones gewohnt und verstanden nicht, warum eine Verwaltungslösung da noch nach Windows 95 aussah 😊. Aber auch unter der Motorhaube hat sich einiges geändert. Die Architektur ist jetzt viel modularer und hat eine sauber dokumentierte API. Das war auch nötig, da wir ab diesem Sommer schon fünf Entwickler sind und so viel stabiler und schneller entwickeln und andere Lösungen anbinden können.
Wie war das Feedback nun auf die neue Version?
Wir hatten eine ganze Welle von neuen Sign-Ups und wir wuchsen die letzten Tage viel schneller. Das hat wohl auch mit der ebenfalls Anfang Mai gestarteten Kooperation mit dem Schweizer Hauseigentümerverband (HEV) zu tun. Die Bedürfnisse von privaten Vermietern und großen Verwaltungen sind eben gar nicht so unterschiedlich. Beide benötigen eine vollständige Lösung, die sofort einsetzbar ist. Und die Möglichkeit mit anderen auf der Plattform zusammen zu arbeiten ist für private mindestens so spannend wie für Verwaltungen. So können verschiedene Familienmitglieder Aufgaben übernehmen und Steuerberater oder Treuhänder können auch noch Zugriff erhalten.
Könnte das gesteigerte Interesse auch an den Maßnahmen des Lockdowns liegen?
Der Sales-Cycle für Immobiliensoftware ist naturgemäß relativ lang. Aber durch den Lockdown haben viele Unternehmen – auch Verwaltungen – die sich lange gegen jede Form der Digitalisierung gesträubt haben, plötzlich ungeahnte Innovationsfähigkeit entwickelt und zum Beispiel ihre Mitarbeiter und Prozesse fit fürs Homeoffice gemacht. Als SaaS Lösung sind wir natürlich perfekt aufgestellt, wenn Homeoffice langfristig an Bedeutung würde. Dass wir davon profitieren werden liegt auf der Hand.
Du streichst immer wieder heraus, dass Fairwalter eine SaaS Lösung ist. Was bedeutet das denn für den Kunden – mal abgesehen davon, dass Hardware, Installationen, Updates etc wegfallen? Ich meine den Wechsel von Desktop zu SaaS Lösungen kann man doch sehr vorhersehbar in fast allen Industrien beobachten …
… und jetzt ist dieser Zeitpunkt für die Immobilienverwaltungen gekommen …
Einverstanden… Dieser Wechsel der Software hat oft ja auch Implikationen für das Business Modell der Anwender gehabt. Was könnte das denn langfristig für Immobilienverwaltungen bedeuten?
Im Prinzip sind die desktop-basierten ERPs mit denen die meisten Verwaltungen heute arbeiten wie Ketten, die ineffiziente Abläufe vorgeben. Auf einer SaaS Lösung wie wir sie laufend weiterentwickeln können jetzt Mieter, Eigentümer, Verwalter, Dienstleister von den gleichen Daten und Prozessen profitieren. Da ergeben sich im Operating-Modell für Verwaltungen ganz neue Möglichkeiten. Outsourcing wird eine echte Option. Und nicht zuletzt entsteht ein Marktplatz für Dienstleistungen. Wir bauen mit Fairwalter ja nicht einfach nur eine weiteres Softwareprodukt sondern streben die Plattform für die Immobilienverwaltung der Zukunft an.
Du erwähnst flexiblere Abläufe und Arbeitsteilung auf der Fairwalter-Plattform selbst. Wie schaut es denn mit angebundenen Umsystemen aus?
Im Enterprise Software Segment beschleunigt sich der Wechsel zu modularen SaaS-Lösungen ja auch. Egal ob Salesforce, Hubspot, Atlassian, Dropbox oder WorkDay. Keine dieser Lösungen ist wirklich allumfassend. Stattdessen bietet jede Lösung möglichst viele APIs an, um Teil eines medienbruchfreien Tool-Stacks sein zu können. Für Fairwalter bedeutet das, dass wir möglichst viele für unsere Kunden relevante Lösungen angebunden haben und in Zukunft noch viel mehr anbinden werden. Das werden natürlich auch KI resp. ML Lösungen sein. Im besten Fall ist die Software dann nicht mehr nur ein Tool für den Bewirtschafter, sondern wie ein Kollege, der einfache Aufgaben selbst erledigt und allenfalls noch um Freigabe bittet.
Danke für das Gespräch Max!
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