Vor ein paar Tagen war ich wieder bei einem Unternehmen und habe die Geschäftsleitung in Sachen E-Business-Strategie im Allgemeinen und E-Commerce im Besonderen beraten. Der Kunde vertreibt komplexe Produkte im B2B-Bereich und ist international aufgestellt. Das Geschäft läuft seit Jahren gut und beschert ansehnliche Gewinne. In IT- und Web-Belangen sind sie konservativ, sprich sie haben zwar eine Website und einen Online-Shop, arbeiten jedoch nicht aktiv damit und daher generieren diese Instrumente auch keinen nennenswerten Anteil des Umsatzes. Soweit so gut.
Nun, ein Teil der Geschäftsleitung ist der Meinung, dass das E-Business Experiment gescheitert ist, weil ihre Kunden einfach keine Online-Kunden seien, der andere Teil hält die vermeintlich schlechte Umsetzung der Massnahmen für den Grund. Frage an mich: Wer hat jetzt Recht?
Ich denke keines der beiden Lager.
So etwas wie On- und Offline Kunden gibt es nicht. Wir wissen, dass mittlerweile 65% aller Europäer online sind. 61% geben an, dass sie durch das Internet in der Lage sind, bessere Produkt- und Dienstleisterentscheidungen zu fällen, egal ob sie die Produkte dann Online oder Offline kaufen. Das sind persönliche Verhaltensänderungen, welche in den letzten Jahren entstanden sind und auch vor dem B2B Bereich nicht halt machen. Das kann nicht sein.
Die Umsetzung der bestehenden Lösungen habe ich mir natürlich auch angesehen. Die Web- und E-Commerce Plattformen sind nicht sonderlich innovativ aber solide und so manche Firma, welche Online erfolgreich ist, bewegt sich auf ähnlichem Niveau. Das kann es also auch nicht sein.
Was ist es denn dann? Die Antwort ist simpel: Die Firma ist nicht digitalisiert. Sie hat die digitale Transformation noch nicht vollzogen.
Ich meine damit, dass sie bei all ihren Überlegungen und Entscheidungen die Aspekte des digitalen Wandels nicht miteinbezieht. Die Gesellschaft und damit die Umweltsphären der Firma haben in den letzten 10 Jahren stetig Komponenten des digitalen Lifestyles adaptiert und nutzen diese aktiv. Unsere Firma aber hat darauf keine entsprechenden Antworten parat, weil sie (noch) keine „digitale DNA“ hat. Sie hat die Digitale Transformation nicht oder nicht im selben Mass mitgemacht. Dafür gibt es einen guten Grund: Es gab schlicht keinen Zwang, denn das Geschäft läuft ja bestens.
Firmen in wirtschaftlich harten Branchen erkennen E-Commerce als Chance. Firmen in wirtschaftlich einfacheren Branchen erleben E-Commerce als Bedrohung. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Und es ist auch schwierig. Diese digitale Transformation lässt sich eben nicht an einer Abteilung aufhängen wie z. Bsp. an der IT, am Verkauf oder am Marketing. Vielmehr muss die gesamte Unternehmung bei der Ausrichtung ihrer Prozesse digitale Komponenten berücksichtigen. Einfacher gesagt als getan, ich weiss.
Eine gute Lösung um analoges Business in digitales zu transformieren, scheint mir die Einsetzung eines Chief Digital Officers. Seine Aufgabe ist, ausgestattet mit den notwendigen Kompetenzen, quer durch das gesamte Unternehmen, Geschäftsmodelle und Prozesse zu überprüfen und um die digitale Dimension zu erweitern. Das kann heissen, z. Bsp. einen ganzen Geschäftsbereich neu online-basiert zu restrukturieren oder aber nach der Analyse zum Schluss zu kommen, dass gar keine digitalen Komponenten integriert werden können oder müssen.
Das Einsetzen eines Chief Digital Officers ist auch ein strategisches Statement einer GL oder eines VR.
Viele grössere Firmen haben bereits solche Positionen geschaffen und viele dieser Firmen können respektable Ergebnisse vorweisen. Sie sind daran, die Digitale Transformation voranzutreiben. Gartner sagt voraus, dass 25% aller Firmen bis 2015 solche Positionen geschaffen haben werden.
Kleinere Firmen können sich eine solche Stelle teilweise nicht leisten. Was also tun? Ich denke, in Zukunft werden wir verschiedene Beratungsteams sehen, welche Unternehmen in diesem Bereich Interim-CDOs zur Verfügung stellen oder die Dienstleistung auf Mandatsbasis erbringen. Im Moment gibt es am Schweizer Markt noch keinen Anbieter. Ich bin mir jedoch sicher, dass wir in Zukunft mehr Beratung in diesem Bereich sehen werden. Denn die Arbeit der Berater ist der Nachholbedarf der Unternehmen. Und der ist, vor allem im mittleren und Enterprise Segment, sehr hoch.
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2 Antworten auf „Warum jede Firma ihren Chief Digital Officer haben sollte!“
[…] Blogpost “Warum jede Firma ihren Chief Digital Officer haben sollte” von letzter Woche wurde intensiv gelesen und ich wurde verschiedentlich darauf angesprochen. […]
[…] Warum jedes Unternehmen einen Chief Digital Officer haben sollte – gut geschrieben! […]