Kategorien
Digitalindustrie

Influencer Marketing. Autsch.

Jede Woche bekomme ich Anfragen von irgendwelchen Firmen: Frau XY, die Assistentin von GF XZ, möchte höflich anfragen, ob nicht eventuell ein Interview mit selbigem für Sie, meine Leser, eine ganz tolle Sache wäre. Sie würden mich natürlich auch bezahlen. Oder z. Bsp. «Tom», der mir über Wochen ständig Einladungen zu irgendwelchen kostenpflichtigen Events schickt, die für mich «als Blogger» kostenlos seien. Oder Firma XX, die mir einfach so mir nichts Dir nichts eines Ihrer Notebooks frei Haus schickt, ohne unerwähnt zu lassen, dass es doch «cool» wäre, auch mal über ein technisches Gadget zu schreiben. Ich schätze, ich bin ins Visier des heutigen Influencer Marketings geraten.

(Lesedauer: 5 Minuten)

Die ersten paar Mal

Die ersten paar Anfragen sind natürlich sehr schmeichelhaft und ich dachte mir: Ok, lass uns mal was machen. Sollte doch nicht so schwer sein. Ein Artikel, ein Interview vielleicht. Irgend sowas. Und dafür Geld kassieren. Tönt cool. Wenn man viel Zeit neben Firmen & Familie in einen Blog steckt, tönt Geld dafür kassieren erstmal immer cool, zugegeben.

Je länger ich aber darüber nachdachte, desto unmöglicher erschien mir das Unterfangen. Der Blog hat sich mittlerweile irgendwie verselbständigt und ich habe mich daran erinnert, warum ich ihn überhaupt begonnen hatte: Aus Freude an der Sache, als eine Art begleitende Therapiemaßnahme für mein tägliches Leben. Nie hätte ich erwartet, dass so viele Leute das jemals lesen würden.

Geld machen

Hätte ich mit dem Blog Geld machen wollen, hätte ich es anders angehen müssen und wäre es auch anders angegangen. Ich hätte über etwas schreiben müssen, welches per se viel Reach hat und viel spezifischer ist. Z. Bsp. ein Blog über Online Marketing oder eine Seite mit den «cutesten» Katzenvideos. Beides würde heute noch sehr gut funktionieren, btw. Die Inhalte müssten mir fast schon egal sein, Hauptsache die Zahlen wären grandios.

Verrat

Genau da fängt aber das Dilemma an. Die Inhalte sind mir nicht egal. Sie sind das, was diesen Blog ausmacht. Und wenn ich nun beginne, über Notebook xy zu schreiben, dann fliegt sofort auf, dass ich das nur tue, weil ich muss. Man merkt es dem Artikel an.

Oder das Interview mit dem GF XZ kann nur dann funktionieren als Inhalt, wenn ich selber spannend finde, was die Firma tut. Ich glaube, dass viele meiner Leser, die mir schreiben der Blog sei authentisch, genau das meinen, wenn sie mir dieses Feedback geben. Was unglaublicherweise täglich passiert.

Den Lesern etwas plump untermischen zu wollen, nur weil ich dafür bezahlt werde, empfinde ich irgendwie als kleiner Verrat an der Leserschaft.

Credibility

Das ist, wenn Sie so wollen, ein klassisches journalistisches Dilemma. Wie bleibe ich in Themen möglichst unbefangen? Wie garantiere ich eine gewisse Unabhängigkeit? Das ist vor allem für eine Seite, welche ja Meinungen portiert, eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Schlicht weil niemand unabhängig ist. Das fängt schon bei der Themenauswahl an. Eine Meinung zu haben und versuchen auch eine gewisse Objektivität zu behalten, ist schon schwierig genug.

Sich als «Meinungsblog» mit (wie auch immer) bezahlten Inhalten zu beschäftigen, verunmöglicht das Unterfangen komplett. Und es nagt an der eigenen Glaubwürdigkeit. Also lasse ich es sein.

Influencer Marketing ist nix?

Immer wenn ein Hype entsteht, bin ich per se skeptisch. Influencer Marketing ist so ein Hype. Jetzt wird wahnsinnig viel davon gesprochen und geschrieben. Als wäre das Konzept erst gestern erfunden worden.

Was natürlich nicht stimmt. Wir kennen Influencer Marketing seit langem bei den Promis. Ein Markenbotschafter ist im Grunde nichts Anderes.

Ich staune jedoch wie plump die Anfragen meistens daherkommen. Als könne man einfach bei jedem Blogger einen Platz kaufen. Ich denke da befinden sich viele Unternehmen gerade ein wenig auf dem Holzweg. Sie machen sich das zu leicht.

Das mag für «Product-Review» oder Mode-Blogs etc. vielleicht funktionieren. Für Blogs, welche Meinungen und Ideen portieren, kann das nur schiefgehen. In diesem eher strategischen Feld, in dem ich mich bewege, sollte aber erkannt werden, dass das der falsche Weg ist. Es sind mir auch keine Kollegen bekannt, die das machen.

Influencer Marketing im B2B

Das heisst aber noch lange nicht, dass Influencer Marketing nicht Sinn machen würde. So war ich z. Bsp. letztes Jahr gleich mit drei verschiedenen grösseren Unternehmen auf Vortragstour. An den rund 25 Kundenevents durfte ich Referate halten und an Panels teilnehmen. Inhaltlich war ich frei. Die Diskussion darüber kam erst gar nicht auf. Und ja, alles war voll und solide bezahlt. Solche Zusammenarbeit ist meiner Erfahrung nach immer von Erfolg gekrönt. Sie basiert auf einem kreativen runden Konzept, das für alle Sinn ergibt.

Auf das Wie kommt es an

Ich hoffe Sie sehen, ich bin nicht «gegen» Influencer Marketing per se. Ich wünschte mir nur, die Marketingverantwortlichen, insbesondere im B2B, würden sich mehr Mühe geben und kreativer sein. Es gibt bekanntlich keine Abkürzungen auf Wegen zu Zielen, die sich zu erreichen lohnen. Auch hier nicht.

Artikel auf Social Media teilen:

3 Antworten auf „Influencer Marketing. Autsch.“

[…] Beim Influencer-Marketing nutzen Unternehmen die Reputation von reichweitenstarken Meinungsmachern, um Kommunikations- und Markenziele zu erreichen. In der Regel zielt Influencer-Marketing auf Abverkauf, Bekanntheit oder eine Verbesserung des Images einer Marke ab. Influencer machen eine Marke oder ein Produkt zum Gesprächsgegenstand, empfehlen dies ihrer Zielgruppe weiter und kreieren passende Inhalte zu den präsentierten Marken. (siehe auch wikipedia). In einem Artikel der Internet World Business heißt es Mitte 2015, dass von den 15,9 Millionen Online-Nutzern in den „Sozialen Medien“, die regelmäßig Produkte bewerten, 30 Prozent Influencer seien und somit „einen Einfluss auf andere Nutzer ausüben“. Dabei seien drei Typen von Influencern zu unterscheiden: Brand-Lovers (27%), die gerne anderen Nutzern helfen und ihr Unternehmen unterstützen; Brand-Critics (24%), die durch ihre Äußerungen bestimmte Reaktionen erzeugen. Als Mavens (23%) wird die Gruppe mit dem vermeintlich größten Einfluss bezeichnet, da ihre Kritik verknüpft ist mit einer positiven Grundeinstellung zu ihrer Marke. (siehe auch Alain Veuve) […]

Danke für deine Gedanken zum aktuellen Hype.

Deine Einschätzungen decken sich ziemlich exakt mit meinen bisherigen Beobachtungen zum Thema.

Auch für ambitionierte Blogger aus der Mode-Szene ist „Cash4Review“ kein langfristig tragfähiges Geschäftsmodel. Follower, meist ebenfalls mit Fachwissen, reagieren hier schnell sehr sensibel.

Gleichzeitig stehen Influencer im Prozess der Kaufentscheidung viel zu weit am Anfang, als dass sich deren Effekt auf einen Sale ohne differenziertes Attribution-Tracking messbar nachweisen ließe. Auch deswegen wird es diese Form des Marketings in unserer zahlenhörigen Onlinewelt langfristig schwer haben.

Viele Grüße,
Jens

WIllkommen im Club, Alain. ;-)

Ich habe das auch regelmäßig in der Mailbox. Das eine oder andere Thema finde ich zwar spannend, aber für Geld betreibe ich den Blog eben nicht. Sehe ich wie Du.

Eine Vortragsreihe, die u. a. auch von meinen Ansichten, Meinungen und Erahrungen getragen wird, durfte ich gegen Entgelt auch begleiten. Das ist dann fair für beide Seiten.

Mach einfach wieter so. :-)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert