Unternehmen tun sich unglaublich schwer mit den Herausforderungen der Digitalen Transformation. Was habe ich die letzten Jahre gekämpft, um Entscheidungsträger davon zu überzeugen, in digitale Initiativen zu investieren, neue Wege zu gehen, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, versuchen besser zu werden. Die Bilanz ist ernüchternd. Warum also das Ganze?
(Lesedauer: 5 Minuten)
Faule Kompromisse
Ich denke, die Digitale Transformation wird in den meisten grösseren Unternehmen komplett verpeilt. Zwar wird immer mehr digitales gemacht, und von dem profitieren wir in der Digitalindustrie in großem Mass, vieles an Projekten ist aber schlicht und einfach lauwarmer Kaffee.
Zwar werden die Top-Execs jeweils nicht müde ins Silicon Valley zu reisen und erwähnen dann, sobald sie irgendwo etwas sagen dürfen Uber, Airbnb, Apple und all diese Beispiele, die so richtig durchschlagen. Aber selber wirklich neue Wege gehen – Fehlanzeige.
Unkonventionelle Businessmodelle + Technologie + Risiko + Risiko + Risiko = Disruption
Und so erzählen diese Manager von Disruption und ihren Visionen und was weiß ich alles. Bemühen fadenscheinige Vergleiche wie, dass Airbnb zwar der grösste Hotelanbieter sei, aber kein einziges Hotelzimmer besitze.
Das zeigt vor allem eines: Diese Leute haben meist keinen Schimmer, von was sie da sprechen. Sie mixen einfach alles miteinander – neue Technologie, den ganzen Silicon Valley Hype und ihr kümmerliches digitales Geschäft.
Wenn es aber darum geht, im eigenen Unternehmen wirklich Voraussetzungen zu schaffen, um in die Zukunft zu gehen, fallen dabei dann meist nur noch «Me-too» Projekte raus. Wir müssen jetzt mal eine App haben, einen Online Shop. Unsere Umsätze sind bereits bei 15% online. Unsere Digital Maturity ist im Konkurrenzvergleich bei 80%. Yay!
Das ist schon mal viel besser, als überhaupt nichts zu machen. Schon klar. Aber man muss verstehen, dass wirklich durchschlagende Businessmodelle wie z. Bsp. Airbnb, Uber, etc. erstmal mit Technologie nicht so viel zu tun haben.
Es ist eher so, dass am Anfang ein Konzept steht, das eine Dienstleistung auf eine für alle bessere Art und Weise erbringt. Und entlang dieser Einsparungen für alle wird eine Marge für das Unternehmen abschöpft.
Es ist schon klar, dass solche Ideen erst damit in die Realität umgesetzt werden können, wenn entsprechende digitale Technologie verfügbar ist und akzeptiert wird. Der Kern dieser Geschäftsmodelle sind sie aber nicht.
Die dritte Komponente ist das Risiko. Wirklich durchschlagende Geschäftsmodelle auf den Boden zu bringen, ist immer mit viel Risiko verbunden. Und da ist es halt so, dass es für bestehende Player wesentlich schwieriger ist, hohes Risiko einzugehen. Zu groß sind die Verlustängste. So groß, dass bisweilen vergessen wird, dass man ohne ein «Sich-Selbst-Neu-Erfinden» auf mittelfristige Sicht auch tot ist.
Warum das Ganze?
In diesem Umfeld habe ich die Lust ein wenig verloren, den Leuten dabei zu helfen, Baby-Schritte zu machen. Das nur weil sie sich nix trauen. Und dabei bin ich nicht etwa jemand, der leichtfertig Risiko eingeht. Im Gegenteil. Es ist also nicht so, dass ich nicht auch ein wenig Verständnis hätte.
Ich treffe in meinen Coachings immer wieder auf Entscheidungsträger, die durchaus sehr offen sind für radikalere Möglichkeiten. Wir treffen gemeinsam Abwägungen und skizzieren wirklich potente Modelle. Meist bleiben diese Modelle trotzdem bewusst in der Schublade. Ganz einfach darum, weil die Unternehmung für einen solchen Schritt noch nicht reif ist. Das finde ich legitim.
Diese Leute leiern aber auch keine „Airbnb-Phrasen“ oder «wir sind das nächste Amazon im Bereich XY» an irgendwelchen Veranstaltungen. Dafür wissen sie zu gut, dass Ihre Organisation sich selber noch im Wege steht. Und arbeiten daran.
Nichts muss, alles kann
Wenn ich das alles aus einer etwas weiteren Perspektive ansehe, ist es doch überhaupt nicht so, dass jedes sich jedes Unternehmen digitalisieren muss. Unternehmen sind Mittel zum Zweck. Nur jene welche sich an den Wandel gut anpassen können, überleben auch.
Natürlich ist es nicht toll für die Unternehmer, wenn ihre Firmen zu Grunde gehen. Aber in den allermeisten Fällen sind sie schlicht selber schuld. Und sie werden nun sagen, die Arbeitnehmer sind die Leidtragenden. Das mag wohl stimmen.
Ich sehe es aber gerne differenzierter. Denn indem wir alte Strukturen und Unternehmen erhalten, eben solche welche sich nicht anpassen, erhöhen wir die soziale Fallhöhe der Leute beträchtlich. Es gibt diesbezüglich nichts Schlimmeres als Struktursubventionen. Diese kommen alle immer früher oder später zu Fall.
Und mit ihnen viele Leute, welche sich an die subventionierte Wirtschafts-Wirklichkeit gewöhnt haben. Genau damit produzieren wir doch erst den hohen sozialen Kollateralschaden.
Fail Fast FTW!
Ich bin eher dafür, dass Unternehmen, die sich nicht bewegen, möglichst schnell niedergehen. Damit werden die totalen Kosten für die Umwälzungen gesenkt und die Leute werden aus den «irreführenden» Strukturen befreit.
Diese Leute, wenn sie sich wieder aufgerappelt und abgeschüttelt haben, sind der Nährboden für neue, wegweisende Firmen. Natürlich nicht alle und schon gar nicht alle mit Freude.
Aber sie werden großmehrheitlich wieder von neuen Unternehmen aufgenommen. Unternehmen mit Zukunft. Und machen wir uns nichts vor, es ist wie mit allem im Leben: Wenn Sie etwas zum ersten Mal erleben, ist das einschneidend. Wenn Sie es aber zum 4-Mal durchmachen, gehen Sie einiges entspannter damit um. So ist es auch mit Jobwechseln. Nicht schön aber machbar.
Und es begünstigt den Prozess hin zu einer neuen flexibleren Arbeitswelt. Eine Arbeitswelt, in der es eben nicht EINE Ausbildung und EINE Karriere in EINER Firma gibt. Sondern verschiedene.
So gesehen, bin ich mir gar nicht mehr so sicher, ob alle Unternehmen diese Digitale Transformation «meistern» müssen. Vielleicht ist es besser, dass ein erheblicher Teil davon untergeht. Sodass aus ihrer Asche Neues entstehen kann.
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4 Antworten auf „Digital Zerstörung statt Digitale Transformation!“
Verändere Dich oder es verändert Dich!
Auf den Punkt gebracht!
Veränderung, Identifikation, Vertrauen und Eigenverantwortung scheitern in Europa größten Teils bereits bei der Vergabe von Aufgaben!
Stark!
Ein ganz toller Artikel!! Nicht viele haben den Mut solche Dinge öffentlich zu vertreten.
Lieber Alain
Sehr provokativ, aber richtig.
Ich stimme dir absolut zu und freue mich sehr, dass endlich einmal jemand so klar Stellung bezieht und die Wahrheit so gut auf den Punkt bringt: es gibt nämlich keine Alternative zur Digitalisierung – wie es schon keine zur Dampfmaschine gab.
Entweder machen die heutigen Unternehmen mit, denken um oder sie bleiben eben auf der Strecke.
Liebe Grüsse
Miriam