Im Markt für eCommerce Lösungen ist eine ungeheuerliche Nachfrage. Seit Jahren. Und man könnte meinen, das würde viele neue Player und einen grossen Konkurrenzkampf provozieren. Dem ist mit Nichten so. Es herrscht, subtrahiert man mal den ganzen Marketingsprech, eher Stagnation. Im Grunde genommen hat sich die letzten 8 Jahre im Grossen nicht viel geändert. Bezahlen tun das die Firmen, die eCommerce machen wollen. Ein Plädoyer für einen Paradigmenwechsel.
(Lesedauer: 4 Minuten)
Magento die Rakete
Als Magento vor ein paar Jahren in den Markt kam, war das eine wahre Revolution. Erstmals wurden Konzepte und viel Best Practice, die bislang Unternehmen mit grossen Budgets vorbehalten waren, kleineren und mittelgrossen Firmen zugänglich gemacht. Magento, das war eine Revolution.
Was daraus wurde, ist beachtlich. Die Marktführerschaft in fast allen relevanten Segmenten, ein grosses Ecosystem, der de fakto Standard für Unternehmen, die neu eCommerce machen wollen. Alle haben davon profitiert. Auch ich. Die beste Ausgangslage für die Zukunft. So könnte man meinen.
Leider entwickelt es sich nicht so weiter. Man hat eher das Gefühl, dass die Rakete ihre Stufen ausgebrannt hätte und nun im All «floated» und höchstens mal noch die Steuerungsraketen anwirft. Allen, die seit dem Tag 0 mit Magento zu tun haben, tut das irgendwie weh.
Dabei ist überhaupt nicht alles schlecht, was im Moment so rund um Magento läuft. Die Firma befindet sich nach der Abspaltung von eBay Enterprise gerade in einer Phase der Neudefinition. Mit Magento 2 ist ein komplett reengineertes Produkt nicht nur angekündigt, sondern auch geliefert worden. Das Marketing wird hochgefahren. Es geht viel mehr als vor der Abspaltung.
Was aber fehlt, sind Visionäre. Leute, die ein radikal verbessertes Produkt liefern möchten. Es gibt heute bedeutend mehr zu verlieren, als vermeintlich zu gewinnen. Die Marktdominanz, die Userbasis, Kunden oder, wohl am gewichtigsten, das Vertrauen des Investors.
Und so wird eingestimmt in den allgemeinen Tenor der etablierten Systeme. Die Leidtragenden sind, wie erwähnt, die Kunden. Was eine Heilsversprechung war, ist heute einfach ein sehr, sehr gutes Offering.
Unendliches Potential
Was wir aber eben doch gerade sehen ist, dass so ein monolithischer eCommerce Ansatz eventuell nicht so wahnsinnig erfolgreich ist. Das Wachstum des eCommerce geht, verglichen an der Nutzung des Internets allgemein, viel zu langsam voran. Ich behaupte, das hat damit zu tun, dass wir als eCommerce Betreiber uns viel zu fest darauf versteifen, einen „Online-Shop“ zu bauen, um eCommerce zu machen. Dabei bleibt die Customer Experience vielfach auf der Strecke und wir finden das so nur ok, weil «man es eben so macht» und weil wir nix besseres kennen.
„Was wenn eCommerce, wie die Branche ihn versteht, nicht das optimale Werkzeug ist, um online zu verkaufen?“
Das ganze Lamento und all die Studien und Vergleiche von Online- vs. Offline zementieren diese Denkhaltung zusätzlich.
Aber fragen sie doch mal breit herum, warum Artikel nicht online gekauft werden. Die Antworten sind vielschichtig. Sicher. Auffallend oft wird aber genannt, dass es einfach kompliziert sei. Besonders im Mobile-Bereich. Und gerade bei älteren Menschen, die verschiedene Anreize und auch Geld hätten, online zu kaufen.
Spryker
Spryker hat in den letzten Monaten von sich reden gemacht. In der Tat halte ich Spryker für sehr zukunftsweisend, da es eher als Framework für agile eCommerce Entwicklung verstanden wird als ein fixes Paket an Features.
In der Tat ist es Flexibilität, die Merchants heute benötigen. Und kurze „time to market“. Und geringe Kosten. Ich denke, Spryker bringt das mit. Es ist sozusagen das Framework für alle Unternehmen, die es ernst meinen mit Ihren eCommerce Initiativen. Was bleibt ist, dass der konzeptionelle Input und die ein Mindestmaß an Best Practice vom Kunden kommen muss.
Das ist im Segment der großen Pure-Player ja durchaus vorhanden. Diese kann man jedoch europaweit an vier Händen abzählen. Ein interessanter Markt sieht anders aus.
Die überschwängliche Mehrheit der interessanten Kunden, die eben noch keine großen eCommerce Initiativen haben (z. Bsp. erste Gehversuche mit einem „einfachen Magento Shop“), haben eben auch eher kleines eCommerce-Knowhow. Und nur, weil diese nun ein verbessertes Tool zu Hand haben, heißt das leider noch lange nicht, dass sie auch erfolgreicher werden.
Da würde ich als neuer Player ansetzen und eine entsprechende Learning – Community aufbauen. Damit lässt sich Geld verdienen und es gibt keine bessere Akquise, als Leute die von einem Produkt überzeugt sind, weil sie durch dieses Produkt erst „empowered“ wurden.
Wir brauchen kein weiteres eCommerce System
Ich denke denn auch, wir brauchen kein weiteres eCommerce System. Was wir bräuchten, ist ein Commerce System (ohne „e“). Eine Art Handelssystem, das für verschiedene Verticals BestPractice Lösungen bereithält.
Eines das On- und Offline nahtlos kombiniert und bei diesen heutigen Problemen, die der Kunde im Umgang mit dem Anbieter hat, ansetzt. Und konsequent dafür Lösungen bietet, die funktionieren. Ein solcher Anbieter fischt dann nicht nur im eCommerce Teich, sondern bald auch im ERP und POS -Teich. Und das ist, auch angesichts der unglaublich angestaubten und teuren Systeme in dem Bereich, eine riesige Chance.
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3 Antworten auf „Die eCommerce Stagnation“
[…] Thank you Alain Veuve, for a decent summary of the Swiss E-Commerce market in Switzerland on your blog. […]
Hallo Oliver,
in Kürze werden wir ein/das neue pricing Modell öffentlich annoncen und bekannt geben. Es wird radikal anders sein als bisher und als es alle anderen Anbieter in dem Segment machen.
Es wird entlang der Kernversprechen lizensiert, es gibt KEINE 5-dimensionale-20seiten lange Preisliste, aus der nur der Sales-rep schlau wird und keinen vendor-lock-in über künstlich lange oder komplexe Verträge mehr.
Ich bin sicher, es wird für viele die Hürde senken und Hand-in-Hand mitgehen bei den Erfolgreichen, denen es wie geplant hilft.
Wir sind jedenfalls sehr gespannt auf die Reaktionen und das Feedback, es ist bald soweit von daher „…wir haben euch (zu)gehört…“.
Lieber Alain,
ich habe den Artikel mit großem Interesse gelesen und stimme Dir zu: Wir sind 2002 mit ePages gestartet und waren damit sehr erfolgreich bis ePages sich auf die KMUs konzentriert hat. Ende 2008 haben wir dann nach Alternativen gesucht. Magento wars nicht für uns, OXID kam hinzu. 2013 dann noch Shopware, weil wir das Gefühl hatten, dass der Markt danach ruft. Gerade im B2B kann man SW aber noch völlig vergessen. Zudem hatte ich mir mehr Evolution erhofft: Aber bei SW ist der Monolith nur schlumpfblau, mehr nicht.
Meine Erkenntnis ist, dass die Werkzeuge vielleicht etwas moderner geworden sind, das Vorgehen aus einer monolithischen Eierlegenden-Wollmilchsau die Lösung für den Kunden herauszubrechen aber immernoch das gleiche ist.
2014 fand ich die Ankündigung von Spryker dann ganz interessant und habe mir das in Berlin angeschaut. Aber hey, wir sind nicht AOE, ich fand 100k p.a. ohne dass wir auch nur einen Euro berechnet haben doch ganz schön knackig.
Derzeit setzen wir unser erstes Projekt mit Commercetools um. Die Anforderungen zeigten ganz klar, dass ein Shopware, OXID, Magento eben nicht zu 70 % gepasst hätte. Aus meiner Sicht ermöglichen diese Ansätze auch wieder mutiger zu sein. Und damit meine ich die Kunden und uns.
Mutiger sich vom Etablierten abzusetzen und wieder mehr in Richtung individueller Lösungen zu denken.
Viele Grüße
Oliver